Full text: Deutsche Geschichte für Schule und Haus nach den Forderungen der Gegenwart für das Königreich Bayern.

6 I. Die Zeit des Heidentums. 
  
gelehrte Richter gab es nicht; es wurde nach Gewohnheit und Her- 
kommen geurteilt. " 
2. Der Angeklagte konnte sich von der Beschuldigung durch einen 
Eid reinigen; dabei mußten ihn seine Verwandten, Nachbarn oder 
Genossen als Eideshelfer unterstützen, indem sie gleichfalls mit einem 
Eide seine Unschuld beteuerten. Bei todeswürdigen Verbrechen 
wandte das Gericht auch das Gottesurteil als Beweismittel an; dann 
mußten Kläger und Beklagter losen oder miteinander kämpfen; wer 
segte 7 ein Glückslos zog, hatte damit seine Unschuld erwiesen und 
wal frei. 
3. Verbrecher, Heerflüchtige, Unfreie und Kriegsgefangene erlitten 
den Opfertod. Landesverräter und Diebe wurden gehängt, Feige und 
Wollüstlinge in Sumpf und Moor geworfen, Spione und Zauberer 
mit Feuer verbrannt, und Mördern wurde der Rücken gebrochen. Ein 
Totschläger konnte sich jedoch von der Todesftrafe lösen, wenn er an die 
Verwandten des Erschlagenen als Entschädigung das Wergeld, d. h. 
Manngeld zahlte und diese bereit waren, dasfelbe anzunehmen. Das 
Wergeld richtete sich nach dem Stande des Getöteten. Neben den 
Strafen an Leib und Leben gab es Ehrenstrafen; sie bestanden im 
Kürzen des Gewandes oder des Haares. Wer dauernd das Recht 
beugte, dem wurde gewöhnlich von der Gemeinde das Haus ange- 
zündet. Gefängnisse und Freiheitsstrafen gab es noch nicht, doch 
konnte ein Verbrecher geächtet werden, d. h. er wurde aus der Ge- 
nossenschaft gestoßen und mußte im Waldesdickicht als friedloser 
Waldgänger sein Leben fristen. 
4. Wer vor Gericht nicht klagen wollte, konnte zur Vergeltung 
eines Frevels auch den Weg der offenen Fehde einschlagen; denn 
sie war ein erlaubtes Vergeltungsrecht des Verletzten. Die Ver- 
wandten eines Erschlagenen wählten gewöhnlich die Fehde; sie übten 
Blutrache. « 
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1. Unsere Vorfahren dachten sich Naturerscheinungen als persön- 
liche Wesen und erwiesen ihnen göttliche Verehrung. Groß war die 
Zahl ihrer Götter. Die vornehmsten darunter waren Zin, Wodan, 
Donar, Freia und Ostara. — Wodan galt als Vater der Götter. 
Ihn dachten sie sich als einen großen, schönen Mann mit wallendem 
Barte und nur einem Auge, dem das andere aus dem Meeresspiegel 
entgegenstrahlte. Um seine Schultern trug er einen weiten, blauen 
Mantel mit goldenen Sternen. Auf den Schultern saßen zwei Raben, 
die ihm alle Geheimnisse, die fie beobachtet, ins Ohr raunten. Ein 
breiter Wolkenhut beschattete seine Stirn. Auf Sturmesflügeln trug 
ihn sein windschnelles, weißes Roß durch die Luft dahin. Er verlieh 
den tapfersten Helden den Sieg und ließ fie, wenn sic in der Schlacht 
gefallen, durch seine Töchter, die Walküren, nach Walhalla bringen. 
Dort wurden die Helden mit Lied und Gesang empfangen. Mit
	        
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