III. Die Zeit der Lehensherrschaft. 35
zwischen zwei Marmorsäulen errichtet war; von hier aus überblickte
er das versammelte Volk. Nachdem die Messe beendigt war, stieg er
vom Throne herab und kehrte zur Pfalz zurück. «
3. In der Pfalz war inzwischen an marmorner Tafel das
Krönungsmahl bereitet. Mit den Bischöfen und Herren setzte sich der
neue Herrscher zu Tische, und es verrichteten die Herzöge der deutschen
Länder die Erzämter. Der Lothringerherzog Giselbert, in dessen Ge-
biet Aachen lag, leistete die Dienste des Kämmerers und ordnete die
ganze Feier; der Frankenherzog Eberhard sorgte als Truchseß für
die Tafel; der Schwabenherzog Hermann stand als oberster Mund-
schent den Schenken vor, und Arnulf von Bayern nahm auf die
Ritter und ihre Pferde als Marschall Bedacht; er bezeichnete die
Stellen, wo man lagern und die Zelte aufschlagen konnte; denn die
alte Kaiserstadt reichte nicht aus für alle die Herren, die in Nachen
eingeritten waren. Nach der Feier belohnte Otto einen jeglichen
mit Gunst und großen Geschenken, und alle kehrten froh in die Heimat
urück.
4. Die Deutschen hatten Ursache, sich der getroffenen Wahl zu
freuen; denn, was der Vater begonnen, setzte der Sohn fort. Die
Slaven. die ihre Raubzüge wieder aufnehmen wollten, wurden
nicht nur besiegt, sondern es wurde auch der Anfang zur Aus-
breitung des Christentums bei ihnen gemacht. Zu dem Zwecke
legte Otto in ihren Landen die Bistümer Meißen, Merseburg,
Havelberg und Brandenburg an und ordnete sie unter das Erz-
bistum Magdeburg. Otto war auch siegreich gegen die Dänen und
errichtete zu ihrer Bekehrung das Bistum Schleswig. Als die Ungarn
im Jahre 955 noch einmal nach Deutschland kamen, schlug Otto sie
auf dem Lechfelde in Bayern derart, daß ihnen alle Lust verging,
je wieder zu kommen. ··"
5. Otto hatte sich den gewaltigen Kaiser Karl zum Vorbilde ge-
nommen. Wie jener schlug er alle Feinde, wollte aber auch gleich
ihm die römische Kaiserkrone tragen und Herr der ganzen Christenheit
heißen. Er hat deshalb manchen Kampf bestehen müssen und mehrere
Heerfahrten über die Alpen nach Italien und Rom unternommen, ehe
er sein Ziel erreichte. Bei der Romfahrt, die er 962 unternahm,
wurde endlich sein Wunsch erfüllt: der Papst schmückte ihn mit der
Krone der alten römischen Kaiser. Deutschland erhielt bei dieser
Krönung den Namen „heiliges römisches Reich deutscher Nation“.
Sestdem galt es in Deutschland für Recht, daß jeder deutsche König
nach Rom ziehe und sich vom Papste die Kaiserkrone hole; nur wer
dieses gethan hatte, durfte den Kaisertitel führen.
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35. Die Ritter.
I1I. Die uufreien Lehensmänner, die ihren Heerdienst zu Roß
leisteten und sich in der Umgebung eines großen Herrn befanden,
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