III. Die Zeit der Lehensherrschaft. » 39
3. Die fahrenden Leute waren die lebendigen Zeitungen jener
Tage und deshalb gerne gesehen, wenn auch der Makel der Unehrlich-
keit an ihnen haftete Wo sie erschienen, spendete man ihnen Speise
und Trank, Kleider und Geld; denn sie waren böse Zungen und ver-
kündeten weit und breit in Spottliedern und giftigen Reden die
Schande des kargen Mannes. Viel Unheil haben sie gestiftet, und
die Zigeuner sind bis in unsere Tage der Schrecken einzeln liegender
Höôfe und einsamer Frauen geblieben.
38. Die Kurfürsten.
1. Jeder freie Mann hatte vor alters nicht nur das Recht, an
der Kaiserwahl teilzunehmen, sondern konnte auch selbst als Kaiser
gewählt werden; aber mit der Zeit hatte sich doch der Gebrauch aus-
gebildet, den Kaiser nur aus hohen Fürstenhäusern zu wählen. War
eine Kaiserwahl nötig, so berief der Erzbischof von Mainz als Erz-
kanzler des Reichs die Fürsten zur Wahlversammlung. Der Wahlort
war nicht fest bestimmt, sollte aber immer auf fränkischem Boden liegen;
schließlich wurde regelmäßig zu Frankfurt am Main gewählt und zu
Nachen die Krönung vollzogen. Am Tage der Wahl, die damals auch
Kur hieß, mußten alle Fürsten, Grafen, Ritter, die dazu erschienen
waren, in feierlicher Weise den Namen dessen laut ausrufen, den
sie zum Herrn und König, zum Richter und Vogt des Reichs er-
koren hatten. ·
2. Im Laufe der Zeit erhielten jedoch sieben Fürsten das
Vorrecht, zuerst ihre Stimme abzugeben; fie wurden die „ersten
an des Reiches Kur“ und erhielten den Namen Kurfürsten. Ihrer
waren drei geistliche und vier weltliche: die Erzbischöfe von Mainz,
Trier und Köln, der Pfalzgraf am Rhein als des Reiches Truchseß
oder Drost, der Herzog von Sachsen als Marschall, der Markgraf
von Brandenburg als Kämmerer und der König von Böhmen als
Schenke. Im Jahre 1356 wurde dieser Brauch als Gewohnheitsrecht
in einem Gesetze festgelegt, das den Namen goldene Bulle erhielt.
Zur Zeit des dreißigjährigen Krieges trat Bayern als achtes und noch
später Hannover als neuntes Glied in die Reihe der Kurfürstentümer.
39. Der alte deutsche Reichstag.
Gaualt es, des Reiches Nutz und Frommen zu beraten, eine
Reichsheerfahrt oder Romfahrt anzuordnen, Belehnungen vorzunehmen,
Ungetreue gegen Kaiser und Reich zur Rechenschaft zu ziehen u. a.,
so lud der Kaiser die Fürsten aus allen Teilen des Reichs zu einer
Versammlung, welche den Namen Reichstag führte. Bei den Ver-
handlungen nahm der Kaiser seinen Platz auf einem Throne; die