62 v. Die FJeit der Reformation.
kirche zu Wittenberg. Diese Sätze wurden viel gelesen, abgeschrieben,
gedruckt und in kurzer Zeit durch ganz Deutschland verbreitet. Der Papst
schickte einen Kardinal nach Augsburg, der Luther verhören und ihn
mahnen sollte, von seinem Thun abzulassen. Der Kardinal forderte Wider-
ruf, Luther aber berief sich auf die Bibel. Da ward der Kardinal
zornig und ties. „Geh, und komm' mir nicht wieder vor die Augen,
es sei denn, daß du widerrufest". Später fandte der Papst einen
andern Mann, der redete freundlich mit Luther und bat ihn, die Leute
in ihrem Glauben nicht irre zu machen. Luther gelobte zu schweigen,
wenn auch seine Gegner schwiegen. Aber dies geschah nicht; denn die
Gemüter waren auf beiden Seiten erregt, und der Streit entbrannte
aufs neue. Da that der Papst Luther in den Bann, indem er 41
von seinen Sätzen für ketzerisch erklärte. Luther aber verbrannte die
Bannbulle und sagte sich damit gänzlich vom Papste lls.
3. Nun war er dem kaiserlichen Gerichte verfallen.- Kaifer Karl V.
berief 1521 einen Reichstag nach Worms, auf dem auch Luthers Sache
gerichtet werden sollte. Luther wurde durch einen kaiserlichen Herold
eingeladen und begleitet. Gleich am Tage seiner Ankunft mußte er
vor der Reichsversammlung erscheinen. Da saßen der Kaiser, sechs Kur-
fürsten, vierundzwanzig Herzöge, acht Markgrafen, dreißig Bischöfe
und Prälaten und viele andere Herren. Aller Augen warteten auf
Luther. Als er eingetreten war, fragte ihn der Kanzler Johann von Eck,
ob er jeue Bücher, die auf einer Bank lagen, für die seinen erkenne,
und ob er ihren Inhalt widerrufen wolle. Die erste Frage bejahte
er; für die zweite bat er sich Bedenkzeit aus. Am folgenden Tage
wollte er sich in einer längern Rede verantworten, aber der Kaiser
verlangte eine kurze und entschiedene Erklärung. Da sprach Luther:
„Dem Papste und dem Konzile glaube ich nicht; widerrufen mag ich
nicht; hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen“.
Er wurde hinausgeführt. Zu Tausenden drängte sich das Volk auf
dem Wege, um ihn zu sehen. «
4. Nun wurde die Reichsacht über Luther ausgesprochen; aber er
erhielt einundzwanzig Tage freies Geleit zur Heimreise. Alsdann sollte
niemand, weder Fürst, noch Stände, noch Unterthanen, den Geächteten.
hausen, höfen, ätzen, tränken, noch ihm Anhang, Beistand oder Für-
schub beweisen, und wo man seiner mächtig würde, sollte man ihn
wohlbewahrt an Kaiserliche Majestät schicken. Seine Bücher sollte
niemand kaufen, verkaufen, lesen, behalten, abschreiben oder drucken,
sondern sie sollten von aller Menschen Gedächtnis abgethan und vertilgt
werden. So gebot des Reiches Acht. Als aber Luther auf dem Heimwege
in den Wäldern Thüringens dahinfuhr, sprengten plötzlich fünf verkappie
Ritter daher, zogen ihn aus dem Wagen und schleppten ihn in das
Gebüsch. Hier kleideten sie ihn wie einen Ritter, setzten ihn auf ein
Pferd und brachten ihn auf die nahe Wartburg. Das war das Werk
des Kurfürsten Friedrich des Weisen von Sachsen. Indes nun niemand
wußte, wo Luther geblieben war, saß er auf der Wartburg, übersetzte die
Bibel in die deutsche Sprache und legte damit den Grund zu unserer