2. Abschn. Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate. (§ 31.) 155
treten in Ubereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des bayer.
Verwaltungsgerichtshofs. Dieser geht von der Auffassung aus, das B. u.
St Ges. sei von dem Gedanken beherrscht, daß es dem Deutschen in der
Regel freistehe, auf seine Staatsangehörigkeit zu verzichten. Ein solcher
Verzicht werde vermutet, wenn sich der Deutsche zehn Jahre im Ausland
aufgehalten hat, ohne den Willen auf Erhaltung seiner Staatsangehörig-
keit rechtsförmlich zu bekunden. Verzicht leisten könne aber nur ein
Willensfähiger, sonach weder ein Minderjähriger, noch ein Geisteskranker
(EGH. Bd. 4 S. 487 und 576, Bd. 12 S. 230. — Reger Bd. 3 S. 71,
Bd. 4 S. 92, 196 und 351, Bd. 11 S. 418, Bd. 15 S. 87). Die Ver-
treter der entgegengesetzten Meinung stehen auf dem Standpunkt, daß
weder der Wortlaut, noch der erkennbare Gedankeninhalt des § 21 des
B. u. St Ges. einen Anhalt für die Annahme biete, der Gesetzgeber habe
in dem zehnjährigen Aufenthalt im Ausland ohne Heimatschein usw.
einen freiwilligen Verzicht auf die Staatsangehörigkeit erblickt (Seydel-
Piloty S. 162 Anm. 68. — Laband, das Staatsrecht des deutschen
Reichs fünfte Aufl. Bd. 1 S. 177 Anm. 5. — Reger BRd. 15 S. 201,
Bd. 16 S. 309, Bd. 18 S. 263, 380 und 474).
Da die Vorschrift des § 21 Abs. 1 des B. u. St Ges. in das R. u.
St Ges. nicht übergegangen ist, so hat die Auslegungsfrage ihre unmittel-
bare Bedeutung verloren. Sie bleibt aber wichtig für die Beurteilung,
ob die Kinder der in minderjährigem Alter ohne ihre Eltern oder den
Ehemann ausgewanderten Deutschen, die vor Vollendung des 31. Lebens-
jahres des Vaters oder der außerehelichen Mutter geboren sind, jemals
die deutsche Reichsangehörigkeit besessen haben und somit das Recht auf
Wiedereinbürgerung nach § 31 des R. u. St Ges. in Anspruch nehmen
können. Angesichts der Anderung des grundsätzlichen Standpunkts der
Gesetzgebung wird jene Streitfrage nach der Absicht des nun geltenden
Gesetzes zu entscheiden sein. Durch das ganze R. u. StGes zieht sich
aber der auch in den Reichstagsverhandlungen häufig betonte Gedanke,
den Deutschen ihre Staatsangehörigkeit zu erhalten, den Verlust der
Staatsangehörigkeit zu erschweren und die Wiedereinbürgerung ehemaliger
Deutscher zu fördern. Mit dieser klaren Absicht des Gesetzes wäre es
nicht wohl vereinbar, wenn bei Anwendung des § 31 der Kreis den ehe-
maligen Deutschen, zu deren Gunsten allein diese Gesetzesvorschrift er-
lassen ist, möglichst eng gezogen würde.
3. Das Gesetz ist am 1. Januar 1914 in Kraft getreten.
4. Nur ehemalige Deutsche, die nach den Vorschriften des 8 21 Abf. 1
bis 3 des B. u. St Ges. die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaat