Full text: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.

74 B. Erläuterungen z. Reichs= u. Staatsangehörigkeitsgesetz. 
daher auch in den wohl seltenen Fällen, in denen eine verheiratete Aus- 
länderin die Bedingungen des § 8 Abs. 1 Ziff. 3 und 4 erfüllen könnte, 
nicht anwendbar. 
11. Das Erfordernis des unbescholtenen Lebenswandels war schon 
in § 8 Abs. 1 Ziff. 2 des B. u. StGes. (s. oben S. 2) aufgestellt. Un- 
bescholtenheit ist nicht gleichbedeutend mit Straffreiheit; wie einerseits 
eine geringfügige Übertretung oder in jugendlichem Alter begangene 
Verfehlung nicht immer als Bescholtenheit erachtet werden darf, so kann 
anderseits das Verhalten im gesellschaftlichen, öffentlichen und Erwerbs- 
leben den Grund bilden, die Unbescholtenheit zu verneinen. Die mit 
der Vorbehandlung des Einbürgerungsgesuches befaßte Behörde wird 
außer dem Gutachten der Niederlassungsgemeinde regelmäßig einen voll- 
ständigen Strafregisterauszug einholen und nötigenfalls dem Gesuch- 
steller die Vorlage eines Leumundszeugnisses von der zuständigen Be- 
hörde seines Heimatstaats auferlegen. 
In der Reichstagskommission ist der Antrag gestellt worden: 
„Die Ablehnung darf nicht auf Gründe gestützt werden, die der 
politischen, sozialpolitischen oder religiösen Gesinnung oder Betätigung 
entnommen sind, oder Bestrafungen oder Verfolgungen wegen politi- 
scher oder sozialpolitischer Straftaten oder wegen Straftaten in bezug 
auf die Religion betreffen."“ 
Gegenüber dem Antrage wies die Reichsleitung auf Fälle hin, in 
denen Ausländer in den deutschen Grenzbezirken eine höchst unerwünschte 
deutschfeindliche Tätigkeit entfaltet hätten, und gab dann namens der 
verbündeten Regierungen folgende Erklärung ab: 
„Ein Bundesstaat darf Bedenken gegen die Aufnahme eines Aus- 
länders niemals darauf stützen, daß der Ausländer einer Religions- 
gemeinschaft angehört, die er in seinem eigenen Staatsgebiet an- 
erkannt hat.“ 
Erläuternd wurde bemerkt, daß die mosaische Religion in allen 
Bundesstaaten anerkannt sei, daß aber die Zugehörigkeit zu einem nicht 
anerkannten Bekenntnisse, z. B. dem mormonischen, einem Bundesstaat 
Grund zur Versagung der Einbürgerung geben könne. Der Antrag 
ist dann abgelehnt worden. 
12. Der Ort der Niederlassung muß zugleich der Wohnort sein. 
Hierbei ist aber der Begriff „Ort“ nicht im engen Sinne der Ortschaft 
zu verstehen; wenn eine Gemeinde aus einer Stadt und einigen Vor- 
orten oder aus mehreren Dörfern, Weilern und Einöden besteht, so 
sind die zusammengehörigen Ortschaften als ein Ort zu erachten.
	        
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