74 B. Erläuterungen z. Reichs= u. Staatsangehörigkeitsgesetz.
daher auch in den wohl seltenen Fällen, in denen eine verheiratete Aus-
länderin die Bedingungen des § 8 Abs. 1 Ziff. 3 und 4 erfüllen könnte,
nicht anwendbar.
11. Das Erfordernis des unbescholtenen Lebenswandels war schon
in § 8 Abs. 1 Ziff. 2 des B. u. StGes. (s. oben S. 2) aufgestellt. Un-
bescholtenheit ist nicht gleichbedeutend mit Straffreiheit; wie einerseits
eine geringfügige Übertretung oder in jugendlichem Alter begangene
Verfehlung nicht immer als Bescholtenheit erachtet werden darf, so kann
anderseits das Verhalten im gesellschaftlichen, öffentlichen und Erwerbs-
leben den Grund bilden, die Unbescholtenheit zu verneinen. Die mit
der Vorbehandlung des Einbürgerungsgesuches befaßte Behörde wird
außer dem Gutachten der Niederlassungsgemeinde regelmäßig einen voll-
ständigen Strafregisterauszug einholen und nötigenfalls dem Gesuch-
steller die Vorlage eines Leumundszeugnisses von der zuständigen Be-
hörde seines Heimatstaats auferlegen.
In der Reichstagskommission ist der Antrag gestellt worden:
„Die Ablehnung darf nicht auf Gründe gestützt werden, die der
politischen, sozialpolitischen oder religiösen Gesinnung oder Betätigung
entnommen sind, oder Bestrafungen oder Verfolgungen wegen politi-
scher oder sozialpolitischer Straftaten oder wegen Straftaten in bezug
auf die Religion betreffen."“
Gegenüber dem Antrage wies die Reichsleitung auf Fälle hin, in
denen Ausländer in den deutschen Grenzbezirken eine höchst unerwünschte
deutschfeindliche Tätigkeit entfaltet hätten, und gab dann namens der
verbündeten Regierungen folgende Erklärung ab:
„Ein Bundesstaat darf Bedenken gegen die Aufnahme eines Aus-
länders niemals darauf stützen, daß der Ausländer einer Religions-
gemeinschaft angehört, die er in seinem eigenen Staatsgebiet an-
erkannt hat.“
Erläuternd wurde bemerkt, daß die mosaische Religion in allen
Bundesstaaten anerkannt sei, daß aber die Zugehörigkeit zu einem nicht
anerkannten Bekenntnisse, z. B. dem mormonischen, einem Bundesstaat
Grund zur Versagung der Einbürgerung geben könne. Der Antrag
ist dann abgelehnt worden.
12. Der Ort der Niederlassung muß zugleich der Wohnort sein.
Hierbei ist aber der Begriff „Ort“ nicht im engen Sinne der Ortschaft
zu verstehen; wenn eine Gemeinde aus einer Stadt und einigen Vor-
orten oder aus mehreren Dörfern, Weilern und Einöden besteht, so
sind die zusammengehörigen Ortschaften als ein Ort zu erachten.