Herr v. Jagow erwiderte sofort, er bedauere, sagen zu müssen, daß seine
Antwort nein sein müsse, weil, da die deutschen Truppen die Grenze an
diesem Morgen überschritten hätten, die belgische Neutralität bereits ver-
letzt sei. Herr v. Jagow erklärte die Gründe, aus denen die kaiserliche
Regierung gezwungen sei, diesen Schritt zu tun. Es sei für die Deutschen
eine Frage von Leben und Tod. Hätten sie die südlichere Route ein-
geschlagen, so könnten sie angesichts der geringen Zahl der Straßen und
der Stärke der Festungen nicht hoffen, ohne furchtbaren Widerstand und
folglich großen Zeitverlust vorwärts zu kommen. Dieser Zeitverlust würde
bedeuten, daß die Russen Zeit gewinnen, um ihre Truppen an die deutsche
Grenze zu schaffen. Raschheit der Aktion sei der große deutsche Vorteil,
während der russische in einem unerschöpflichen Vorrat an Truppen liege.
Ich machte Herrn v. Jagow klar, daß dieses fait accompli der Verletzung
der belgischen Grenze die Situation, wie er sofort verstehen werde, überaus
ernst gestalte und ich befragte ihn, ob nicht noch jetzt Zeit sei, zurückzu-
gehen und mögliche Folgen zu vermeiden, die er und ich beklagen würden.
Er erwiderte, daß es aus den angegebenen Gründen jetzt für die Deutschen
unmöglich sei, zurückzugehen.
Während des Nachmittags empfing ich Ihr ferneres Telegramm vom
gleichen Tage und unterrichtete den Staatssekretär davon, daß, falls die
kaiserliche Regierung nicht in dieser Nacht bis 12 Uhr die Versicherung
geben könne, sie würde die Verletzung der belgischen Grenze nicht weiter
fortsetzen und ihren Vormarsch zum Stillstand bringen, ich instruiert worden
sei, meine Pässe zu verlangen und die kaiserliche Regierung zu informieren,
daß Seiner Majestät Regierung alle in ihrer Macht liegenden Schritte zu
ergreifen haben würde, um die Neutralität Belgiens zu erhalten und einen
Vertrag zu wahren, daß Deutschland ebenso unterschrieben habe wie sie
selbst. Herr v. Jagow erwiderte, er könne mir zu seinem großen Bedauern
keine andere Antwort erteilen als die bereits früher am Tage gegebene,
nämlich, daß die Sicherheit des Reiches es absolut notwendig mache, daß
die kaiserlichen Truppen durch Belgien marschierten. Ich gab Seiner Ex-
zellenz einen schriftlichen Abriß Ihres Telegramms, erklärte, Sie hätten
12 Uhr als die Zeit bestimmt, wo die Britische Regierung eine Antwort
erwarte und fragte ihn, ob es angesichts der schrecklichen Folgen, welche not-
wendig eintreten müßten, nicht noch sogar im letzten Momente möglich sei,
die deutschen Antwort zu überlegen. Er erwiderte, daß, selbst wenn die
gegebene Frist 24 Stunden oder mehr wäre, seine Antwort die gleiche sein
musse. Ich sagte, daß ich in diesem Falle meine Pässe zu verlangen haben
würde.
Diese Unterredung fand ungefähr um 7 Uhr statt. In einer kurzen
Unterhaltung, die folgte, drückte Herr v. Jagow sein schmerzliches Bedauern
über den Zusammenbruch seiner und des Reichskanzlers gesamter Politik
aus. Diese sei gewesen, mit Großbritannien in Freundschaft zu leben und
hierauf durch Großbritannien Frankreich näherzutreten. Ich sagte, dieses
plötzliche Ende meiner Berliner Arbeit sei auch für mich ein Gegenstand
tiefen Bedauerns und der Enttäuschung. Er müssse jedoch einsehen, daß
unter den gegebenen Umständen und angesichts unserer Verpflichtungen die
britische Regierung gar nicht anders habe handeln können, als sie getan.
Ich sagte weiter, daß ich gern den Reichskanzler besuchen würde, weil es
vielleicht das letzte Mal sei, wo ich Gelegenheit haben würde, ihn zu sehen.
Er ersuchte mich, dies zu tun. Ich fand den Reichskanzler sehr aufgeregt.