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Er habe gehört, ich zöge die Reise über Hoek van Holland der über Kopen-
hagen vor. Infolgedessen habe man Vorbereitungen für die erstere Route
getroffen, doch würde ich dann bis zum folgenden Morgen warten müssen.
Er brachte mir auch einen reizenden Brief von Herrn v. Jagow, der in den
freundlichsten Ausdrücken abgefaßt war.
Die Abreise.
Die Nacht verlief ruhig ohne irgendwelchen Vorfall. Am Morgen
war eine starke Polizeimacht auf dem üblichen Wege zum Lehrter Bahnhof
aufgestellt, während die Botschaft durch Seitenstraßen in Automobildroschken
zum Bahnhof hindurchgeschmuggelt wurde. Dort hatten wir keinerlei Be-
lästigungen zu erdulden, und es blieb uns die von der Menge meinem
russischen und französischen Kollegen zuteil gewordene Behandlung erspart.
Graf Wedel traf uns am Bahnhof, um namens des Herrn v. Jagow Lebe-
wohl zu sagen und nachzusehen, ob alle für unsere Bequemlichkeiten an-
geordneten Vorkehrungen vorschriftsmäßig ausgeführt seien. Ein pensio-
nierter Gardeoberst begleitete den Zug zur deutschen Grenze und war über-
aus freundlich in seinen Bemühungen, die großen Menschenmassen, welche
die Bahnhöfe bei jedem Haltepunkt des Zuges anfüllten, von Beleidigungen
abzuhalten. Aber außer dem Heulen patriotischer Gesänge und einigen
wenigen Hohnworten und beleidigenden Bewegungen hatten wir uns auf
unserer ermüdenden Reise, zur deutschen Grenze wirklich über nichts zu
beklagen. «
Fürst Bülow über den Krieg.
Stockholmer Zeitungen veröffentlichen eine Unterredung, die der Her-
ausgeber der Korrespondenz „Norden“ hier in Berlin mit dem Fürsten
Bülow hatte. Sie lautet im wesentlichen, wie folgt:
Wir werden siegen, weil wir siegen müssen“, sagte Fürst Bülow.
„Das deutsche Volk ist noch nie seinen Feinden erlegen, wenn es einig
war, und niemals im Laufe seiner langen und wechselvollen Geschichte war
es so einig wie heute. Wie oft haben scharffinnige Beobachter unseres poli-
tischen Lebens, wie oft Kenner unserer Volksseele, wie oft hat ein Bis-
marck geklagt, daß es uns Deutschen so schwer falle, kleine Meinungsver-
schiedenheiten großen, gemeinsamen Zielen unterzuordnen. Der Sturm-
wind dieser Tage hat weggefegt, was rückständig und kleinlich an uns war.
„Dieser Krieg hat uns alle besser gemacht“, sagte mir gestern ein alter
Freund. Das gilt von dem einzelnen, es gilt von dem ganzen Volk. Der
volle Einklang zwischen Staatsgesinnung und Volksempfinden, die in Fleisch
und Blut übergegangene Ueberzeugung, daß das Los jedes einzelnen mit
dem Schicksal des Ganzen unauflöslich verknüpft ist, haben sich in diesen
Tagen in überwältigender Weise Bahn gebrochen. Hinter uns in wesen-
losem Scheine liegen die Zänkereien früherer Tage. Wir erkennen, wie
wenig vielfach das bedeutete, das uns zu trennen schien, von welch vitaler
Bedeutung das ist, was uns verbindet. Ein Sozialdemokrat, der Reichstags-
abgeordnete Dr. Südekum, hat in einer schwedischen Zeitung in einer
öffentlichen Erklärung dem Empfinden der gesamten Nation Ausdruck
gegeben, wenn er schreibt: „Wir in Deutschland, und zwar alle Parteien
und alle Volksschichten, sind von der Ueberzeugung tief durchdrungen, daß
wir siegen müssen oder untergehen!“ Man kann die Lage, in der wir uns
befinden, und die Aufgabe, vor der wir stehen, nicht klarer formulieren.
Aber wir werden oben bleiben! Mit uns ist der Geist unserer Väter. der