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Drei Möglichkeiten sind theoretisch denkbar, unter denen der
deutsche Kaiser einen Verzicht aussprechen kann:
Erstens: Verzicht auf den preußischen Thron unter Bei-
behaltung der Kaiserkrone.
Zweitens: Verzicht auf das Kaisertum unter Beibehaltung
des preußischen Herrschaftsrechts und
Drittens: Verzicht auf beides zusammen.
Aus dem Wesen der Akzessorität geht nun hervor, daß der
Inhaber des Hauptrechts und des Akzessoriums nicht das letztere
beibehalten kann, während er das Stammrecht aufgibt. Es wäre
falsch, sich durch die z. B. strafrechtlich bevorzugte Stellung des
Kaisers oder durch die einem Monarchen ähnliche Stellung in
völkerrechtlicher Hinsicht verleiten zu lassen, das deutsche Kaiser-
tum als einen „Thron“ in unserem Sinne aufzufassen, denn
lediglich in der Absicht, dem Präsidenten des deutschen Reiches
die Machtmittel des Preußenkönigs zu geben, wurde die Kaiser-
würde dem preußischen Königtum angefügt 11). Demnach wäre
es dem Kaiser unmöglich, die „Kaiserkrone“, d. h. das Präsidium
zu behalten, während er auf das logische prius, den preußischen
Thron, verzichtet.
Umgekehrt ist jedoch ein Verzicht auf das Akzessorium an
sich sehr wohl denkbar. Aber dieses würde als Verletzung einer
dem König von Preußen auferlegten Bundespflicht erscheinen 12).
„Da aber die vom Bundesrat zu beschließende Exekution vom
Kaiser zu vollstrecken wäre“ 13), haben wir es nur mit einer
theoretischen, nicht mit einer praktischen Möglichkeit zu tun. Und
ein wertvoller Grundsatz lautet: „Das politisch Unmögliche kann
nicht Gegenstand ernsthafter juristischer Untersuchung sein“ 14).
Der dritte denkbare Fall, der Verzicht auf Kaisertum und
preußischen Thron, ist abhängig von der Möglichkeit des Verzichts
11) Abraham, Thronverzicht nach deutschem Staatsrecht 1906, S. 21.
12) Gierks in Schmollers Jahrbüchern, Bd. VII, S. 1137.
13) Hubrich, Preuß. Staatsrecht, S. 113. Vergl. Reichsverfassung
Art. 19.
14) Jellinek, Allgemeine Staatslehre, Bd. I, S. 17.