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In England muß der König der anglikanischen Hochkirche
angehören und ein etwaiger Austritt sowie die Heirat mit einer
Katholikin wird als Abdankung ausgelegt.
Die erste französische Verfassung von 1791 enthielt in Art. 5
Sekt. I 2. Kapitel im dritten Titel folgende Bestimmung:
„Si un mois aprés l’invitation du Corps Iégis-
latif, le roi, n'a pas prété le serment il
Sera sensé avoir abdiquè la royauté.“
Einen ähnlichen Gedanken enthält die bereits oben erwähnte
Sachsen-Koburg-Gothaische Verfassung in § 19 Abs. 2:
„Wenn ein Herzog einen außerdeutschen Thron besteigt,
so wird dafür gehalten, daß er verzichtet habe, über die
Herzogtümer zu regieren.“
Wir wollen aus all diesen in der Tendenz das gleiche Ziel
verfolgenden Stellen nun zur Lösung des vor uns liegenden
Problems irgend eine herausnehmen, z. B. die Stelle der nieder-
ländischen Verfassung. Wollte man hier einen mit der Heirat
notwendig verknüpften Verzicht durch konkludente Handlung als
gegeben annehmen, so müßte man voraussetzen, daß in dem
Heiratswillen der Verzichtswille eingeschlossen sei. Oder noch
deutlicher ausgedrückt: Da ja der Wille als Haupterfordernis
jedes Verzichts vorhanden sein muß, so müßte die Königin, um
ihren Thronverzichtswillen auszudrücken, heiraten. Dieses Er-
gebnis ist aber unannehmbar. Andernfalls würde die Königin,
wenn sie heiratet, ohne abdanken zu wollen, doch ipso jure den
Thron verlieren. Wir hätten es dann mit keinem „Thronverzicht",
sondern mit einem „Thronverlust“ zu tun. Es ist aber, wie
Abraham5) dieses richtig darlegt, nicht anzunehmen, daß das
Gesetz eine Vermutung dafür aufstellt, daß der Herrscher seinen
Verzichts willen in dieser konkludenten Form ausdrücken kann
oder darf; das Gesetz will vielmehr ohne Rücksicht auf den Willen
des Betreffenden lediglich eine allgemeine Verbotsregel auf-
stellen.
55) T. V. 83.