§ 47. Die Rechtspflege. 87
IV. Dem Ministerium der Finanzen 1) kommt zu die Fürsorge für die Beschaffung
und Verwaltung derjenigen wirthschaftlichen, insbesondere Geldmittel, welche dem Staat
zur Bestreitung seiner Bedürfnisse erforderlich sind, somit das Staatsdomänen-, Salinen-,
Steuer= und Zollwesen, die Staatskassen= und Staats= und Eisenbahnschulden-Verwaltung,
überhaupt das Staatshaushaltswesen. Ihm ist ferner zugewiesen das Hochbauwesen und
das Münzwesen.
Es hat die für die Stände bestimmten, auf den Staatshaushalt bezüglichen Vor-
lagen (Voranschläge und Rechnungsnachweise, auch bezüglich der übrigen Ministerien) zu
bearbeiten; es führt die obere Aufsicht über das Pensionswesen, die Beamten-Wittwenkasse
und die Militär-Wittwenkasse. Es hat in wichtigen Angelegenheiten der Staatsfürsorge
für Landwirthschaft, Handel, Gewerbe und Verkehr mitzuwirken. Ueber die Zuständig-
keit der Ministerialinstanz selbst und über die dem Ministerium unterstehenden Behörden
wird bei der Darstellung des Finanzrechtes gehandelt werden.
§ 47. V. Die Rechtspflege. Die V. U. enthält in 8§ 14 und 15 die Grundsätze:
„Die Gerichte sind unabhängig innerhalb der Grenzen ihrer Kompetenz.
Alle Erkenntnisse in bürgerlichen Rechtssachen müssen von den ordentlichen Gerichten
ausgehen.
Der großherzogliche Fiskus nimmt in allen aus privatrechtlichen Verhältnissen ent-
springenden Streitigkeiten Recht vor den Landgerichten.
Niemand darf in Kriminalsachen seinem ordentlichen Richter entzogen werden."
Diese Grundsätze waren im Wesentlichen schon vorher Rechtens in den badischen Landen,
auch organisatorisch wenigstens von der mittleren Instanz an durchgeführt.
Nach der Landesorganisation vom Jahr 1803 war die Rechtspflege in der unteren In-
stanz mit der Bezirksverwaltung verbunden und den hierfür bestellten Bezirksbehörden (Ober-
ämtern, Obervogteien 2c.) übertragen, als mittlere Instanz waren für jede der Provinzen, nach-
mals Kreise, Hofgerichte, als oberste das Oberhofgericht bestellt. Diese Organisation der
Gerichte blieb im Wesentlichen in Kraft, auch nachdem im Jahre 1813 die Patrimonial-Juris=
diktion aufgehoben, im Jahre 1832 eine neue bürgerliche Prozeßordnung, im Jahre 1851 eine
Abänderung derselben und im gleichen Jahre ein neues Strafgesetzbuch, eine neue Strafprozeß-
ordnung und Schwurgerichte eingeführt worden waren. ·
Die Trennung der Rechtspflege in der unteren Instanz, vorbereitet durch eine Staats-
ministerial-Entschließung vom 30. März 1852, welche die Vorstände der Bezirksämter von der
Oberaufsicht über die von den zweiten und dritten Beamten besorgte Rechtspflege entband, wurde
durch landesherrliche Verordnung vom 18. Juli 1857) ausgesprochen, welche die seither mit
der Rechtspflege beauftragten Beamten der Bezirksverwaltung zu selbständigen Amtsrichtern
gemacht hat.
Das Gesetz vom 19. Mai 1864 über die Gerichtsverfassung") bestätigte den Grundsatz
der Trennung der Rechtspflege von der Verwaltung und enthielt eine theilweise Organisation
der Gerichte mit wesentlichen Verbesserungen. Darnach bestanden als Gerichte: die Amtsgerichte
— Einzelrichter —, zuständig in streitigen Rechtssachen, deren Gegenstand den Werth von 200 fl.
nicht überstieg und außerdem in gewissen durch die Prozeßordnung bestimmten Fällen, in Straf-
sachen, mit Zuziehung von Schöffen, bezüglich vom Gesetz einzeln bestimmter Vergehen, mit
Strafgewalt zu Freiheitsstrafen bis zu 8 Wochen Gefängniß und 300 fl. Geldstrafe, sodann die
Kreisgerichte, zuständig als erste Instanz in allen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die nicht vor
die Amtsgerichte gehörten.
Für Strafsachen waren bei den Kreisgerichten Strafkammern, Raths= und Anklage-
kammern und Rekurskammern gebildet.
Als Berufungsinstanz in bürgerlichen Rechtssachen gegen Urtheile der Amtsgerichte und
der Kreisgerichte bestanden bei einzelnen derselben Apellationssenate. Bei eben diesen Gerichten
wurden die Schwurgerichte gebildet.
Oberstes Gericht blieb das Oberhofgericht.
1) Org.Resk. v. 26. Nov. 1809, Beil. F. II. 2) Reg. Bl. 1857, Nr. XXXX, S. 818.
3) Reg. Bl. 1864, Nr. XVIII, S. 151.