Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

847. Die Rechtspflege. 89 
Bei den Amtsgerichten kann das Justizministerium die Abhaltung regelmäßiger 
Gerichtstage außerhalb der Gerichtssitze anordnen 7. 
Bei jedem Amtsgerichte ist eine Gerichtsschreiberei eigerichtet. Die Dienst= und Ge- 
schäftsverhältnisse des Gerichtsschreibereipersonals sind durch landesherrliche Verordnung 
geregelt?). Bei den Kollegialgerichten zerfallen die Gerichtsschreibereien in Geschäftsabthei- 
lungen (Sekretariat, Expeditur mit der Kanzlei, Registratur). 
In Anwendung von § 70 Abs. 3 der R. Ger.V. sind die Civilkammern der Land- 
gerichte ohne Rücksicht auf den Werth des Streitgegenstandes als ausschließlich zuständig 
erklärt für die dort bezeichneten Ansprüche, soweit hinsichtlich derselben der Rechtsweg vor 
den bürgerlichen Gerichten überhaupt zulässig ist 3). 
Kammern für Handelssachen bestehen bei den Landgerichten Karlsruhe und Mann- 
heim"). Schwurgerichte werden bei fünf der Landgerichte abgehalten 5). Sie sind zu- 
ständig geblieben für die mittelst der Presse verübten Verbrechen und Vergehen mit 
einzelnen Ausnahmen"). Als „höhere Verwaltungsbeamte" im Sinne der 8§§ 34 und 85 
des R. Ger. V., welche zu dem Amte eines Schöffen oder Geschworenen nicht sollen berufen 
werden, bezeichnet das Gesetz'): die Vorstände und Mitglieder der Ministerien (ein- 
schließlich der Landeskommissäre), des Verwaltungsgerichtshofes und der Oberrechnungs- 
kammer, sowie die Bezirksverwaltungsbeamten (Amtsvorstände und Amtmänner). 
Die Vertrauensmänner für Bildung der Schöffen= und Geschworenenlisten wählt 
der Bezirksrath. Näheres ist durch landesherrliche Verordnung 5) bestimmt. 
2. Sämmtliche Richter, mit Einschluß der Handelsrichter, werden durch den Groß- 
herzog ernannt. 
Bei den mit mehreren Richtern besetzten Amtsgerichten werden die Geschäfte nach 
örtlich abgegrenzten Bezirken, oder, sofern das Interesse der Rechtspflege solches erfordert, 
nach den Geschäftsgebieten, oder auch nach den letzteren und nach örtlicher Bezirksabthei- 
lung den Richtern durch das Präsidium des Langerichts mit Genehmigung des Justiz- 
ministeriums zugewiesen. 
Mehrere Richter desselben Amtsgerichts vertreten sich gegenseitig. Für diejenigen 
Amtsgerichte, welche nur mit einem Amtsrichter besetzt sind, bestimmt das Justizmini- 
sterium im Voraus als Stellvertreter den Richter eines benachbarten Amtsgerichts. 
Zum Richteramt Befähigten kann das Justizministerium vorübergehend die Befug- 
nisse eines Amtsrichters übertragen. Im Falle des Bedürfnisses können auch Rechts- 
kundige, welche die erste Prüfung für den Justizdienst bestanden haben und in demselben 
seit mindestens zwei Jahren beschäftigt sind, in dieser Weise verwendet werden. 
Zu Landgerichten dürfen als Hilfsrichter nur ständig angestellte Richter berufen wer- 
den. Das Präsidium, oder, bei plötzlicher Verhinderung eines Mitglieds, der Präsident 
des Landgerichts, ist ermächtigt, zu einzelnen Sitzungen oder Geschäften aushilfsweise Amts- 
richter aus dem Landgerichtsbezirke beizuziehen?). 
1) Angef. Einf. Gef. § 3. 
2) V. 8. Juni 1889, G.u.V. Bl. Nr. XIV, S. 93. Vgl. GerVerf. § 154; angef. Einf.Ges. 8 16. 
3) Angef. Einf. Ges. § 3. 
4) Angef. ldh. Verord. v. v. 22. April 1879, § 4; 14. Sept. 1879, G. u. V. Bl. Nr. XIII, S. 633, 
u. 1. Mai 1885, G. u. V. Bl. Nr. XV, S. 209. 
1829 Konstanz, Freiburg, Offenburg, Karlsruhe, Mannheim. Angef. ldh. Verord. v. 23. April 
6) Angef. Einf.Ges. 8 6. 
7) Ebendags. § 4. 
8) V. 11. Juli 1879. G. u. V. Bl. Nr. XXIXI, S. 325. 
9) Angef. Einf. Ges. §§ 8—12.
	        
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