Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

94 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. IV. Kapitel. 8 48. 
Bezüglich der Zuständigkeit der im Verhältniß der Unterordnung zu einander 
stehenden Behörden gilt im Allgemeinen, wenn auch im Einzelnen verschiedenartig durch- 
geführt, der Grundsatz, daß jede Behörde ihre abgegrenzte Zuständigkeit hat und die Zu- 
ständigkeit der oberen Behörde da anfängt, wo jene der unteren aufhört. Es hat somit 
jede Behörde innerhalb ihres ein für alle Mal festgestellten Zuständigkeitskreises die Ge- 
schäfte selbständig und auf eigene Verantwortung gegenüber der vorgesetzten Behörde zu 
besorgen, ohne im einzelnen Falle hierzu besonderen Auftrags zu bedürfen, und es ist im 
einzelnen Falle im Zweifel die Zuständigkeit der unteren Behörde als durch jene der 
oberen Behörde nicht eingeschränkt zu erachten. Ob die obere Behörde befugt ist, der 
unteren in einem einzelnen Falle eine bestimmte Art der Erledigung zu befehlen, oder ohne 
Weiteres die Erledigung der Sache an sich zu ziehen oder ihre Entschließung an die 
Stelle jener der unteren Behörde zu setzen, ist je nach Verschiedenheit der Fälle verschieden 
zu beantworten. 
Zunächst ist außer Zweifel, daß überall da, wo das Gesetz selbst die Zuständigkeit 
der Behörden bestimmt hat, die Vorschrift des Gesetzes durch die Behörden unbedingt ein- 
gehalten werden muß, die obere Behörde somit die von der unteren gemäß ihrer gesetz- 
lichen Zuständigkeit erlassene Entschließung nur abändern darf, wenn und soweit das 
Gesetz die Berufung zuläßt und im einzelnen Fall von derselben Gebrauch gemacht 
worden ist. 
Hat das Gesetz die Ordnung der Zuständigkeit der Behörden der Regierung über- 
lassen und dieselbe diese Ordnung im Wege der Verordnung, sei es bei der allgemeinen 
Behördenorganisation, sei es in Vollziehung eines einzelnen Gesetzes, getroffen, so ist zu 
unterscheiden zwischen solchen Entschließungen, die ausschließlich im Interesse der Allge- 
meinheit als eigentliche Regierungsakte ohne unmittelbare Beziehung auf Einzelverhältnisse 
erlassen, und solchen, durch welche die öffentlich rechtlichen Beziehungen Einzelner, sei es 
ohne oder auf deren Anrufen, geordnet werden. Bei den Entschließungen der ersten Art 
hat die Ordnung des Zuständigkeitsverhältnisses rein geschäftliche Zwecke; die obere Be- 
hörde kann daher die Zuständigkeit der unteren Behörde nach ihrem Ermessen durchbrechen 
und ihre Handlungen leiten. Bei den Entschließungen der ersteren Art hat die, wenn 
auch im Wege der Verordnung erfolgte, Ordnung einer bestimmten Zuständigkeit den Zweck, 
im Interesse der Einzelnen eine gewisse örtliche oder stufenweise Prüfung der thatsächlichen 
Verhältnisse zu sichern. Der Einzelne hat daher ein rechtliches Interesse daran, daß diese 
allgemein in Aussicht gestellte Ordnung auch im einzelnen Falle ihm gegenüber soweit ein- 
gehalten werde, als aus der Nichteinhaltung ein Nachtheil für ihn entstehen könnte. Die 
höhere Behörde kann deshalb nur soweit in die Zuständigkeit der unteren eingreifen, als 
dies geschieht, um von dem Einzelnen Nachtheile, Lasten, Beschränkungen, die ihm etwa 
Seitens der unteren Behörde auferlegt werden wollten, ferne zu halten. Dadurch sind 
allerdings Weisungen an die untere Behörde, in einer bestimmten Richtung Entschließung 
zu treffen, nicht ausgeschlossen. Rechtlich erscheint aber auch in diesem Falle die der 
Weisung gemäß erlassene Verfügung als solche der unteren Behörde. 
Im Uebrigen ist es im Allgemeinen, der nothwendigen Einheitlichkeit der Staats- 
regierung und der Verantwortlichkeit der Minister entsprechend, Recht und Pflicht der 
Letzteren bezw. der Ministerien, die ihnen unterstehenden Behörden durch allgemeine An- 
ordnungen, Belehrungen und Weisungen im Ganzen in derjenigen Bahn der Vollziehung 
zu erhalten, welche sie als die dem Gesetze und dem Staatswohle entsprechende erachten, 
und die Verwaltungsbeamten haben in diesem Sinne ihr Amt zu führen ?. 
1) Vgl. § 43 d. Verfahrens Ord. v. 31. Aug. 1884 u. § 49 d. W.
	        
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