Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

8 48. Die innere Verwaltung insbesondere. 95 
§ 49. 2. Die innere Verwaltung insbesondere. Die derzeitige Organisation der 
inneren Verwaltung im Großherzogthum Baden hängt auf's Engste zusammen mit der 
Einführung einer besonderen Verwaltungsrechtspflege und beruht mit dieser auf dem Ge- 
setze vom 5. Okt. 1863, die Organisation der inneren Verwaltung betr. ). Bis dahin 
wurde die innere Verwaltung einschließlich der Entscheidung in Verwaltungsrechtssachen 
unter der Oberleitung des Ministeriums des Innern besorgt durch die ausschließlich mit 
Berufsbeamten besetzten Bezirksämter (Oberämter) und in der Mittelstufe durch vier Kreis- 
regierungen, Kollegialbehörden, welche theils Berufungs-, theils — in wichtigen Dingen 
— erste Instanz waren. 
Die Grundgedanken, von welchen das angeführte Gesetz ausgegangen ist, sind folgende: 
Die bestehende Einrichtung der Verwaltungsbehörden, insbesondere der Kreis= und Be- 
zirksverwaltung, welche die Anwendung des öffentlichen Rechtes, die staatlichen Aufsichtsrechte, 
die Pflege aller örtlichen und Bezirksinteressen wie die rein politische Thätigkeit ausschließlich 
in der Hand von besoldeten Beamten und Kollegien zentralisire, sei veraltet. Die Aufgaben 
der neueren Zeit wie die durch die langjährige Wirksamkeit einer freisinnigen Verfassung ge- 
förderte politische Bildung des Volkes machten eine Aenderung im Organismus der Staats- 
verwaltung, zumal in den Mittelgliedern zwischen Gemeindeverwaltung und Centralverwaltung, 
nöthig. Auch für die Regierung selbst sei der Uebergang zu einem anderen System geboten. 
Die Geschäfte der Staatsbehörden könnten wesentlich vereinfacht werden durch Ausscheidung von 
gewissen gemeinsamen Angelegenheiten größerer Bezirke oder Kreise, und Uebertragung derselben 
an selbständige Verbände. In den Geschäften aber, welche den Staatsbehörden noch verblieben, 
würden diese das immer schwieriger zu erwerbende Vertrauen in die Redlichkeit und Unparteilich- 
keit ihres Willens in Zukunft nur dann fest zu begründen vermögen, wenn durch die Betheiligung 
des bürgerlichen Elementes bei dem Vollzug der Gesetze die Verantwortlichkeit getheilt und die 
Einsicht in die Schwierigkeit der Aufgabe geweckt werde. 
In der Thätigkeit der Staatsverwaltung im weiteren Sinne seien zwei Hauptmomente zu 
unterscheiden: die eigentliche Verwaltung, vorzugsweise die Pflege der Interessen, d. h. die Sorge 
für die unmittelbare Befriedigung gemeinsamer positiver Bedürfnisse des wirthschaftlichen und 
Kulturlebens und den Vollzug der zu solchen Zwecken erlassenen Gesetze umfassend; und die eigent- 
liche Regierung, in welcher sich die Machtvollkommenheit des Staates äußert, und welche einer- 
seits zum Zwecke hat die Aufrechterhaltung der Staatsverfassung und die Sorge für die äußere 
und innere Sicherheit des Staates (die rein politische Verwaltung) sowie die im Interesse der 
Gesammtheit zu übende Aufsicht auf die Wirksamkeit der in den Staatsorganismus verflochte- 
nen korporativen Verbände, anderseits die Entscheidung von Streitigkeiten, welche bei der An- 
wendung des öffentlichen Rechtes entstehen, sowie den Vollzug der desfallsigen Erkenntnisse (die 
administrative Justiz). 
Von der Uebertragung an bürgerliche Elemente oder von der Betheiligung solcher seien 
jedenfalls von vornherein auszuscheiden die Funktionen der rein politischen Verwaltung, ferner 
die Verwaltung der den gesammten Staatsverband berührenden Interessen, Anstalten und Ein- 
richtungen. 
An den noch übrig bleibenden Geschäften lasse sich eine Betheiligung der Bürger bezw. 
eine Uebertragung derselben an bürgerliche Organe nach zweierlei Richtungen denken: 
Eines Theils könne die nächste Sorge für die Befriedigung einer Reihe von öffentlichen 
Interessen und Bedürfnissen, für die Einrichtung und Leitung der desfallsigen Anstalten und 
für die Aufbringung der hierzu erforderlichen Mittel — insoferne jene Interessen und Bedürf- 
nisse in erster Linie ihre Entstehung und ihren Boden in größeren oder kleineren Abtheilungen 
des Staatsgebietes oder in gewissen Kreisen der Gesammtbevölkerung finden oder zweckmäßiger 
dorthin überwiesen werden — der eigenen Besorgung durch die dabei betheiligten Bürger über- 
lassen werden, wobei der Staat sich darauf beschränkt, die im Interesse der Staatsgesammtheit 
nothwendige Aufsicht zu führen und allenfalls noch durch seine Organe und Gesetzgebung an- 
regend und fördernd einzuwirken. Für diese Selbstverwaltung im engeren Sinne, für die ört- 
1) Reg. Bl. 1863, Nr. XLIV, S. 99, mit einzelnen späteren Aenderungen; ldh. Vollz. Verord. 
v. 12. Juli 1864, Reg. Bl. Nr. XXXI, S. 333; ldh. Verord. v. 31. Aug. 1884, das Verfahren in Ver- 
saaecndsten cbetr, ain dn. Nr. XXXV, S. *7*m— Weizel a. a. O. — chte. 
prechung 2c. 2c. Einleitung; ders. in Hartmann's Zeitschr. f. Gesetzgebung I, S. 369, u. Ztschr. 
f. bad. Verw. XXII, S. 47 fl. "
	        
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