49. Die innere Verwaltung insbesondere. 97
Zur Ausübung eines Theiles seiner Zuständigkeit kann das Ministerium des Innern
Bevollmächtigte aus seiner Mitte als Landeskommissäre verwenden, welche in dem
Ministerium Sitz und Stimme behalten. Dieselben führen über die Amts- und Kreis-
verwaltung und über deren Beamte die unmittelbare Aufsicht und es kann ihnen ihr
Wohnsitz auswärts angewiesen werden.
Die Landeskommissäre sind insbesondere beauftragt:
1. die Dienstführung der Beamten der Staatsverwaltung, der Kreis= und Bezirks-
verbände und der Gemeinden zu beobachten und zu überwachen, auch die Zustände der
Verwaltung an Ort und Stelle eingehend zu prüfen;
2. Beschwerden gegen die Amtsführung der Beamten oder sonst wahrgenommene
Mängel der Amtsführung zu untersuchen, fürsorglich die nöthigen Anordnungen zur Ab-
hilfe von Beschwerden und Mißständen sofort zu erlassen, in dringenden Fällen vorläufige
Enthebungen vom Dienst zu verfügen und dem Ministerium des Innern Vortrag hierüber
zu erstatten;
3.überhaupt anregend und fördernd einzugreifen, wo sie Vernachlässigung in der
Pflege der Interessen der Kreise oder Bezirke wahrnehmen, oder wo diese Interessen ihrer
Wichtigkeit und ihres räumlichen Umfangs halber die Fürsorge der Staatsregierung be-
sonders in Anspruch nehmen;
4. nach Gutfinden den Sitzungen der Kreisversammlungen, der Kreisausschüsse und
der Bezirksräthe anzuwohnen;
5. in außerordentlichen Fällen sofortige Maßregeln, insbesondere bei Nothständen
und erheblichen Störungen der öffentlichen Ordnung zu treffen.
Den Landeskommissären können besondere Befugnisse in Bezug auf die Beaufsichti-
gung der Kreisverbände, der Bezirksverbände und des Gemeindewesens oder in Bezug auf
andere zum Geschäftskreise des Ministeriums des Innern gehörige Gegenstände durch Ver-
ordnung zugewiesen werden. Sie üben dieselben gleichfalls im Namen des Ministeriums
des Innern und in Unterordnung unter dasselbe aus ½.
übung der den Polizeibehörden durch das R. Str. G. B. vorbehaltenen Zuständigkeiten betr., G. u.V. Bl.
1872, Nr. I, S. 2; Ges. v. 23. Dez. 1871 z. Vollz. d. Einf. d. R. St.G.B., G. u. V. Bl. Nr. LI, S. 431,
Art. 8, VI; ldh. Verord. v. 20. Sept. 1864, die Ausübung der den Verwaltungsbehörden durch das
Polizeistrafgesetzbuch vorbehaltenen Zuständigkeiten betr., Reg. Bl. Nr. XLIX, S. 656, § 2.
1) Verw. Ges. §§ 1, 22, 23. Durch die Vollz.V.O. v. 12. Juli 1864 z. Verw.Ges. 8§ 16—28
ist der Wirkungskreis der Landeskommissäre noch näher bezeichnet: Unter Anderem ist bestimmt:
Es ist vorzugsweise Aufgabe der Landeskommissäre, den Vollzug der Verwaltungsgesetze und
der Verwaltungseinrichtungen im Geiste der Landesverfassung und des Gesetzes vom 5. Okt. 1863 zu
üÜberwachen und das Ministerium des Innern — und soweit es sie betrifft auch die anderen Ministerien
— von den hierauf bezüglichen Zuständen der ihnen angewiesenen Bezirke in steter Kenntniß zu
erhalten.
Sie haben die ihnen zugehenden Aufträge des Ministeriums des Innern zu vollziehen, an das-
selbe Vortrag zu erstatten und den Verhandlungen des Ministeriums anzuwohnen, so oft fie dazu
einberufen werden, oder es sonst im Interesse der Sache nothwendig erscheint.
Den Landeskommissären steht die Aufsicht auf die Thätigkeit und Verwaltung der Bezirks-
ämter und auf die Geschäftsbesorgung des Kreishauptmannes in dem Maaße zu, daß dieselben überall,
wo sie persönlich anwesend sind, in politischen und reinen Verwaltungsangelegenheiten befugt sind,
nach Gutfinden die Leitung einzelner wichtigerer Geschäfte unmittelbar selbst in die Hand zu nehmen.
In so weit und in solange sie sich hierzu veranlaßt sehen, ist der Bezirksbeamte, beziehungsweise der
Kreishauptmann, zur Mitwirkung verpflichtet.
Insbesondere find fie berechtigt, den Vorsitz in den Bezirksrathssitzungen, soweit es sich nicht
um Gegenstände der Verwaltungsgerichtsbarkeit handelt, zu übernehmen.
Die Polizeiverwaltung der Aemter und Gemeinden ist von den Landeskommissären besonders
zu überwachen, und namentlich auch zu prüfen, ob die erlassenen bezirks= und ortspolizeilichen Vor-
schriften den Bestimmungen des Pol. Str. G. B. entsprechen.
Insbesondere steht ihnen zu die Erledigung der Beschwerden gegen das Verfahren oder die
Amtshandlungen, beziehungsweise Unterlassungen der Bezirksbehörden in Polizeistrafsachen, in so weit
Handbuch des Oeffentlichen Rechts III. 2. Aufl. Baden. 7