§ 49. Die innere Verwaltung insbesondere. 99
Jedem Bezirksamte steht zur Unterstützung bei der staatlichen Verwaltung ein Be-
zirksrath zur Seite. Er besteht — je nach der Volkszahl des Bezirks — aus 6 bis 9,
durch Kenntnisse, Tüchtigkeit und Gemeinsinn ausgezeichneten Bewohnern des Bezirks.
Diese ernennt das Ministerium des Innern je für vier Jahre, unter je hälftiger Er-
neuerung, aus einer Vorschlagsliste, welche die Kreisversammlung für jeden Amtsbezirk
des Kreises aus sämmtlichen, mindestens seit einem Jahre darin ansässigen und über
25 Jahre alten Staatsbürgern aufstellt und welche dreimal so viel Namen enthält, als
Mitglieder des Bezirksrathes ernannt werden sollen !). Der Dienst eines Mitgliedes des
Bezirksrathes ist ein Ehrenamt; unbegründete Ablehnung zieht eine Geldstrafe von 50
bis 300 M. nach sich!). Die nicht am Amtssitze wohnenden Mitglieder erhalten für die
Theilnahme an den Sitzungen eine angemessene Entschädigung für ihre Auslagen 3).
Die Mitglieder der Bezirksräthe können von der Staatsregierung in dringenden
Fällen aus ähnlichen Gründen, wie sie in der Gemeindeordnung für die Entlassung der
Gemeindebeamten bestimmt sind ihres Amtes entlassen werden .
Der Bezirksrath wird durch den Bezirksbeamten einberufen. Derselbe führt bei
den Berathungen den Vorsitz, hat Stimmrecht und bei Stimmengleichheit die Entscheidung).
Das so gebildete Bezirksrathskollegium — von dessen Aufgabe als Verwaltungs-
gericht unten die Rede sein wird — hat gesetzlich in folgenden Verwaltungssachen zu
beschließen:
1. Ueber die Nothwendigkeit öffentlicher Bauten, zu deren Herstellung eine gesetzliche
Verbindlichkeit besteht, über die Größe des Bedürfnisses und über die Verbindlichkeit zur
vorsorglichen Bauausführung;
2. über die Frage, ob eine Gemeinde oder ein Gemarkungsinhaber im öffentlichen
Interesse eine ihnen von Staatswegen angesonnene, von ihnen abgelehnte Ausgabe zu
machen habe, insofern die Verpflichtung zu dieser Ausgabe nicht schon ihrem ganzen Um-
fange nach durch Gesetz oder Verordnungen fest bestimmt ist;
3. über Ertheilung der Staatsgenehmigung zu Beschlüssen der Gemeinden und ihrer
Behörden, oder zum Voranschlag des Gemeindehaushaltes, wenn der Bezirksbeamte Anstand
nimmt, diese zu ertheilen;
4. über Beschwerden gegen die Dienstführung der Gemeindebeamten und über deren
Entlassung vom Dienste;
5. über das Maß der Theilbarkeit der Liegenschaften und über Bewilligung von
Nachsicht in einzelnen Fällen;
6. über Gesuche und Anträge auf Verleihung von Wirthschaftsrechten und anderen
Gewerbskonzessionen, soweit nach den bestehenden Gesetzen solche Konzessionen nothwendig
sind und nicht durch Verordnung einer höhern Verwaltungsbehörde vorbehalten werden;
7. über die Zulässigkeit solcher gewerblichen Anlagen, welche vor ihrer Errichtung
bei der Verwaltungsbehörde angezeigt werden müssen, und über die Festsetzung der des-
fallsigen Bedingungen, sowie über Beschwerden in Baupolizeisachen;
8. über die angefochtene Giltigkeit von Gemeinde-, Bezirks= und Kreiswahlen.
1) Verw. Ges. §§ 1, 2, in der Fassung des Gesetzes v. 1. März 1884, G. u.. Bl. Nr. VII,
S. 63. Ueber die Ernennung der Bezirksräthe s. Beil. z. Vollz. V.O. z. Verw.Ges. in der durch ldh.
Verord. v. 3. März 1880, G. u. V. Bl. Nr. VIII, S. 39, u. 31. Okt. 1884, G. u. V. Bl. Nr. XLV, S. 478,
bewirkten Fassung.
2) Verw.Ges. § 3. Ueber die Gründe der Ablehnung, sowie über die Strafe (welche in die
Gemeindekasse zu Armenzwecken fließt) entscheidet der Bezirksrath. Niemand ist verpflichtet, den Dienst
woitderganzunehmen, nachdem er unmittelbar vorher denselben vier Jahre lang bekleidet hatte. Angef.
erw. Ges. .
3) Hierüber s. Verord. d. Min. d. Inn. v. 4. Nov. 1874, G. u. B. Bl. Nr. LI, S. 588.
4) Verw. Ges. § Za. 5) Verw. Ges. § 4.
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