116 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. V. Kapitel. 64.
und Abgang von Staatseigenthum und, soweit dies nicht durch besondere Gesetze dem land-
ständischen Ausschuß übertragen ist, über die Verwaltung der Staatsschulden zu führen
hat. Sie besteht aus einem Präsidenten und der erforderlichen Anzahl von Kollegial=
räthen, sowie dem nöthigen Revisions= und Kanzleipersonal. Der Präsident und die Kol-
legialmitglieder genießen den gleichen Unabhängigkeitsschutz wie die Richter ?.
Das Nähere über diese Behörde wird im Finanzrecht dargestellt werden.
V. Kapitel.
Die Staatsbeamten.
§ 54. 1. Vorbemerkung. Der Staat kann diejenigen Personen, welche als Träger
eines Civil-Staatsamtes ?) seine Organe sein sollen, in einer doppelten Weise bestallen: ent-
weder in der Art, daß das Verhältniß der Person zu dem Amte grundsätzlich ein vorüber-
gehendes, oder in der Art, daß dasselbe grundsätzlich ein dauerndes sein soll. Das Ver-
hältniß der ersten Art kann wieder entweder dadurch geschaffen werden, daß durch eine
allgemeine Norm, somit in der Regel durch ein Gesetz gewisse Kategorien von Staats-
bürgern auf bestimmte Zeit zu Trägern staatlicher Aemter berufen werden, oder dadurch,
daß die Regierung bestimmte, von ihr ausgewählte Einzelpersonen mit bestimmten ein-
zelnen Negierungshandlungen in vorübergehender Weise, wenn auch vielleicht auf un-
bestimmte Zeit, beauftragt. Der erstere Fall liegt z. B. vor bei den Aemtern der Ge-
schworenen, Schöffen, Bezirksräthe, Schatzungsräthe 2c. Diese Aemter sind in der Regel
Ehrenämter. Ihre Träger sind, solange und soweit sie das Amt ausüben, nicht bloß
öffentliche, sondern staatliche Beamte, im weiteren Sinne des Wortes. Der zweite Fall
liegt vor bei der Ertheilung bloßer Kommissorien z. B. zur Vornahme von Prüfungen,
Visitationen, zur Abhaltung gewisser Vorlesungen u. dgl.
In beiden Fällen ist die Bekleidung eines staatlichen Amtes oder die Erfüllung eines
staatlichen Auftrages ohne Einfluß auf die rechtliche Gesammtstellung der betr. Person im
Staate und auf die Gesammtrichtung ihrer Thätigkeit. Es ist deshalb auch denkbar und
in der That mehrfach Rechtens, daß die Uebertragung eines derartigen staatlichen Amtes
auch ohne und gegen den Willen der Einzelperson, welche solches bekleiden soll, und ohne
Entschädigung derselben erfolgt und daß die Annahme und Bekleidung des Amtes erzwing-
bare staatsbürgerliche Pflicht ist.
Anders, wenn das Verhältniß zu dem Amte grundsätzlich ein dauerndes ist. Ein
solches Verhältniß, mag durch die Erfüllung der Amtspflichten thatsächlich die gesammte
Thätigkeit der Person in Anspruch genommen werden oder nicht, kann naturgemäß nicht
ohne den Willen der Person entstehen, es bewirkt besondere Pflichten und Rechte, insbeson-
Dere Rechte auf Lebensunterhalt, es erfordert eine besondere Regelung der Beendigung, es
beeinflußt die gesammte Rechtsstellung und Lebensthätigkeit des Amtsträgers; es macht da-
durch die Bekleidung des Amtes, die Mitarbeit am Staate zum Lebensberufe. Dieses
dauernde Verhälniß der Person zum Amte ist aber, in Folge der Anforderungen, welche
an die Träger von Staatsämtern wegen der nothwendigen Stetigkeit, Gleichmäßigkeit und
Sachverständigkeit in der staatlichen Thätigkeit gemacht werden müssen, das im heutigen
Staatsorganismus, so auch in dem Badens, weitaus überwiegende. Es wird deshalb im
Folgenden dieses Verhältniß, das Verhältniß der Staatsbeamten im engeren Sinne, oder,
wie sie das Gesetz einfach nennt, der „Beamten“, des Näheren erörtert werden.
1) Ges. v. 25. Aug. 1876, G. u. V. Bl. Nr. XXXVIII, S. 289. »
2) Die nachfolgende Darstellung bezieht fich ausschließlich auf den Dienst in der Civilver-
waltung des Staates. Der Dienst in der Heeresverwaltung ist reichsrechtlich besonders geordnet.