Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

9 59. Die Dienstpolizei. 139 
widerruflicher Unterstützungsgehalt gewährt werden; derselbe soll die Hälfte des Betrags 
nicht übersteigen, welcher dem Beamten im Falle der Zuruhesetzung gesetzlich zu gewähren wäre. 
Welche der bestimmten Strafen anzuwenden sei, ist nach der größeren oder geringeren 
Erheblichkeit des Dienstvergehens mit besonderer Rücksicht auf das gesammte Verhalten 
des Angeschuldigten zu ermessen. · 
Auf Entfernung aus dem Amte oder dem staatlichen Dienste kann auch wegen solcher 
Handlungen erkannt werden, deren sich der Beamte vor dem Eintritt in den staatlichen 
Dienst schuldig gemacht hat, sofern durch jene Handlungen die Achtung und das Vertrauen, 
welche sein Beruf erfordert, in einer Weise geschmälert wird, daß jene Maßregel als ge— 
boten erscheint. 
Im Laufe einer gerichtlichen Untersuchung darf gegen den Angeschuldigten ein Dis- 
ziplinarverfahren wegen der nämlichen Thatsachen nicht eingeleitet werden. 
Wenn im Laufe eines Disziplinarverfahrens wegen der nämlichen Thatsachen eine 
gerichtliche Untersuchung gegen den Angeschuldigten eröffnet wird, so muß das Disziplinar- 
verfahren bis zur Beendigung des gerichtlichen Verfahrens ausgesetzt werden. 
Wenn von den Strafgerichten auf Freisprechung erkannt ist, so findet wegen der- 
jenigen Thatsachen, welche in der gerichtlichen Untersuchung zur Erörterung gekommen sind, 
ein Disziplinarverfahren nur noch insofern statt, als dieselben an sich und ohne ihre Be- 
ziehung zu dem gesetzlichen Thatbestande der strafbaren Handlung, welche den Gegenstand 
der Untersuchung bildete, ein Dienstvergehen enthalten. 
Ist in einer gerichtlichen Untersuchung eine Verurtheilung ergangen, welche den 
Verlust des Amtes nicht zur Folge gehabt hat, so bleibt derjenigen Behörde, welche über 
die Einleitung des Disziplinarverfahrens zu verfügen hat, die Entscheidung darüber vor- 
behalten, ob außerdem ein Disziplinarverfahren einzuleiten oder fortzusetzen sei. 
Die gelegentlich einer strafgerichtlichen Verurtheilung stattgehabten thatsächlichen Fest- 
stellungen sind auch für das Disziplinarverfahren maßgebend, ohne daß es einer Wieder- 
holung der Beweisaufnahme bedarf. 
Zur Verhängung der Strafversetzung und Dienstentlassung ist zuständig: 
1. hinsichtlich der landesherrlich angestellten Beamten der Disziplinarhof; 
2. hinsichtlich der behördlich angestellten etatmäßigen Beamten das denselben vor- 
gesetzte Ministerium. 
Der Disziplinarhof besteht aus neun Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden. 
Die Mitglieder müssen ein Staatsamt, mindestens fünf derselben ein Richteramt bekleiden. 
Durch die Geschäftsordnung wird bestimmt, in welcher Reihenfolge die Mitglieder des 
Disziplinarhofs an den Verhandlungen theilzunehmen haben. 
Bei der mündlichen Verhandlung und Entscheidung in den einzelnen Disziplinarsachen 
haben sieben Mitglieder einschließlich des Vorsitzenden mitzuwirken. Vier Mitglieder müssen 
zu den ein Richteramt bekleidenden Beamten gehören. 
Die Mitglieder des Disziplinarhofs und die erforderlichen Stellvertreter werden vom 
Landesherrn auf die Dauer von drei Jahren ernannt. 
Der Disziplinarhof entscheidet in erster und einziger Instanz mit Ausschluß von 
Rechtsmitteln, vorbehaltlich des landesherrlichen Begnadigungsrechts. 
Der Entscheidung des Disziplinarhofs hat ein förmliches Disziplinarverfahren voraus- 
zugehen, welches in einer schriftlichen Voruntersuchung und in einer mündlichen Verhand- 
lung besteht und durch das Gesetz näher geordnet ist. 
Für die richterlichen Beamten und jene der Oberrechnungskammer wird der Dis- 
ziplinarhof bei dem Oberlandesgericht gebildet.
	        
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