Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

146 Dritter Abschnitt: Die Kommunalverbände, öffentl. Korporationen u. Stiftungen. 862. 
Die Bürgeraufnahme ist diejenige Form, unter welcher Ortsfremde das Bürger- 
recht erwerben. Die Aufnahme in jede Gemeinde des Inlandes kann als ein, gleichfalls 
im Wege verwaltungsgerichtlicher Klage erzwingbares, Recht jeder badische Staatsbürger 
begehren, welcher 25 Jahre alt, im Besitze eines den Unterhalt einer Familie sichernden 
Nahrungszweiges und außerdem eines gewissen Vermögens, auch gut beleumundet ist!). 
Die Bürger haben das Recht, an der Gemeindeverwaltung und an den vermögens- 
rechtlichen Nutzungen der Gemeinde, insbesondere dem Bürgergenuß, Theil zu nehmen. 
Diesen Rechten gegenüber steht die Pflicht zur Theilnahme an der Gemeindeverwal- 
tung und unter bestimmten Voraussetzungen jene zur Entrichtung von Bürgergenußauflagen. 
Die Familienangehörigen (Ehefrauen, Wittwen und Kinder) der Bürger stehen mit 
der Gemeinde im Verbande persönlicher Angehörigkeit. 
Durch Ortsabwesenheit wird der Bürgerrechtsverband nicht gelöst; dieselbe bewirkt 
nur zeitweise Nichtausübung (Ruhen) der im Bürgerrecht liegenden Rechte und zeitweise 
Befreiung von den entsprechenden Pflichten ). 
Aufgehoben wird das Bürgerrechtsverhältniß durch Tod, Verlust des Staats- 
bürgerrechtes, Aufnahme in eine andere Gemeinde und Aufkündigung wegen Eintrittes in 
den Staatsdienst 3). 
Das Einsassenverhältniß ist ein Ausnahmeverhältniß, welches nur in soweit 
besteht, als es am 1. Juli 1870 schon begründet war. 
Die nicht bürgerlichen Einwohner, welche für ihre Person mit der Gemeinde 
nur so lange in Beziehung stehen, als sie daselbst wohnen, gehören zwar mit ihren Inter- 
essen ebenfalls in denjenigen Kreis, an welchem und für welchen die Gemeinde und ihre 
Behörden ihre örtliche Thätigkeit zu entfalten haben. Sie sind auch bezüglich des Bei- 
zugs zur Bestreitung des Gemeindeaufwandes — der überhaupt nicht auf der Zugehörigkeit 
der Person zur Gemeinde ruht, sondern auf der des Steuerobjektes — den Gemeinde- 
bürgern gleichgestellt. Aber sie haben keinen Antheil an den vermögensrechtlichen Gemeinde- 
genüssen. 
Hinsichtlich des Rechtes und der Pflicht zur Theilnahme an der Gemeindeverwaltung 
und Gemeindevertretung ist zu unterscheiden: 
a) in den mittleren Gemeinden sind diejenigen im Vollbesitze der Rechtsfähigkeit 
und der bürgerlichen Ehrenrechte befindlichen männlichen, nicht im aktiven Militärdienste 
stehenden Reichsangehörigen, welche seit zwei Jahren gewisse Voraussetzungen der Seßhaftig- 
keit, des Lebensalters, der Selbständigkeit und Wirthschaftlichkeit erfüllen, solange diese 
Voraussetzungen vorhanden sind, den Gemeindebürgern im Wesentlichen gleichgestellt“). 
b) in den kleineren Gemeinden steht die Theilnahme an der Gemeindeverwaltung 
und Vertretung nur den Gemeindebürgern zu. 
2. In den Städten der Städteordnung ruht die persönliche Zugehörigkeit zum 
Gemeindeverband ausschließlich auf dem Einwohnerthum. 
Stadtbürger sind — gleich den wahlberechtigten Einwohnern in den mittleren Ge- 
meinden — alle im Vollbesitze der Rechtsfähigkeit und der bürgerlichen Ehrenrechte be- 
findlichen männlichen, nicht im aktiven Militärdienste stehenden Reichsangehörigen, welche 
seit zwei Jahren die oben (bei den mitkleren Gemeinden) bezeichneten Voraussetzungen erfüllen. 
Sie verlieren diese Eigenschaft durch den Verlust der Reichsangehörigkeit, das Aufgeben 
des Wohnsitzes im Stadtbezirk und den Verlust der Selbständigkeit und wirthschaftlichen 
Geordnetheit. Ihr Bürgerrecht ruht für die Dauer der Beschränkung der Rechtsfähigkeit, 
  
1) A. a. O. 88 18—47. 2) A. a. O. 88 54 -67, 70. 
3) A. a. O. 8§ 70—73. 4) G.O. f. d. mittl. G. 8§ 9—9 b.
	        
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