Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

8 66. Die Stiftungen. 159 
einbarung der zuständigen staatlichen und kirchlichen Aufsichtsbehörden ausdrücklich und 
besonders als kirchliche anerkannt oder durch rechtskräftig gewordene richterliche Entscheidung 
als kirchliche erklärt worden sind. 
Alle anderen Stiftungen, welche bei der Verkündung des Stiftungsgesetzes bereits 
vorhanden waren, sind weltliche. 
Stiftungen, welche nach der Verkündung des Stiftungsgesetzes gemacht wurden oder 
künftig werden gemacht werden, sind dann kirchliche, wenn ihr Vermögen einem der oben 
unter 1 und 2 bezeichneten Zwecke gewidmet ist. Alle anderen seit der Verkündung des 
Stiftungsgesetzes gemachten oder künftig entstehenden Stiftuügen gelten als weltliche ½. 
Hiernach ist für die Frage der Kirchlichkeit oder Weltlichkeit einer Stiftung die Ent- 
stehungsweise unerheblich und wird eine Stiftung dadurch allein, daß zum Genuß der- 
selben nur Angehörige einer bestimmten Konfession berechtigt sind, dieselbe nicht zur kirchlichen. 
Stiftungen, welche theils kirchlichen, theils weltlichen Zwecken gewidmet sind, sog. 
gemischte, bleiben, soweit sie bei der Verkündung des Stiftungsgesetzes bereits vorhanden 
waren, in dieser Eigenschaft fortbestehen. Doch können die weltlichen wie die kirchlichen 
Aufsichtsbehörden jederzeit eine Trennung derselben verlangen. Nach der Verkündung des 
Stiftungsgesetzes konnten und können gemischte Stiftungen nicht mehr entstehen?). 
3. Wenn bei einer Stiftung der Stifter vor der Einführung des Stiftungsgesetzes 
besondere Anordnungen erlassen hat, welche dieselbe einer anderen als der durch Gesetz 
oder Verordnung vorgeschriebenen Verwaltung urnterstellen, so bleiben diese Anord- 
nungen aufrecht erhalten. Wurde die Verwaltung einer Stiftung von dem Stifter einer 
Behörde übertragen, von der sie nach den bei der Errichtung der Stiftung in Geltung 
gewesenen Gesetzen und Verordnungen ohnehin zu führen war, so muß — sofern die 
Stiftungsurkunde nicht ausdrücklich das Gegentheil besagt — angenommen werden, daß 
die Stiftung überhaupt durch die jeweiligen gesetzlichen Organe verwaltet werden solle. 
Seit der Einführung des Stiftungsgesetzes dürfen Anordnungen, welche Stiftungen 
einer anderen als der durch Gesetz oder Verordnung vorgeschriebenen Verwaltung unter- 
stellen, von dem Stifter nicht mehr erlassen werden?#). 
4. Das Stiftungsvermögen muß im Grundstock ungeschmälert erhalten bleiben. Die 
Vermögenserträgnisse dürfen zu anderen als den stiftungsgemäßen Zwecken nur insoweit 
verwendet werden, als sie nach allseitiger Erfüllung der Stiftungszwecke hierzu verwend- 
bar bleiben. 
Jede derartige Verwendung bedarf der Zustimmung der staatlichen Aufsichtsbehörde. 
Wenn die fernere Erfüllung der Zwecke einer Stiftung nicht mehr möglich ist, oder 
wenn der Fortbestand und die fernere Wirksamkeit der Stiftung aus irgend welchen 
Gründen als dem Staatswohle nachtheilig angesehen werden müssen, so ist die Staats- 
regierung berechtigt, das Vermögen derselben einem andern öffentlichen Zwecke zu 
widmen, bei dessen Bestimmung sie dem ursprünglichen Willen des Stifters thunliche 
Rücksicht tragen und namentlich auch die örtlichen und Distriktsstistungen den betheiligten 
Gemeinden und Distrikten nicht entziehen wird. 
Eine solche Verfügung über kirchliches Stiftungsvermögen ist im Einverständniß mit 
der Kirchenbehörde zu treffen. Nur wenn dieses in den deshalb einzuleitenden Verhand- 
1) Dies gilt insbesondere von den zur Armen= oder Krankenpflege bestimmten Stiftungen. 
Ein entgegengesetzter, von der Kommission der Ersten Kammer gestellter Antrag drang nicht durch. 
Ldt. 1869/70, Erst. K. Pr. H. S. 211, Beil. H. S. 433, 438. 
Ebenso find Stiftungen zu Zwecken des Unterrichtes, soweit nicht der oben unter 2 angeführte 
Ausnahmsfall vorliegt, weltliche, da das Gesetz den Unterricht nicht als „kirchliches Bedürfniß“" an- 
erkennt. 
2) Stift. Ges. 8§ 3—6. 3) Stift. Ges. 898 7, 8.
	        
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