81. Geschichte Badens und seiner Verfassung. 3
besondere bis zum Vertrag vom 20. November 1818 durch die Rheinbundsakte. Es war jedoch
schon damals als Gesetzgebungs- und Regierungsgrundsatz anerkannt,
„daß die Freiheit der Handlungen des Staatsbürgers weiter als für die Sicherheit der
übrigen, für eine augenscheinlich überwiegende Wohlfahrt aller oder für die Aufrechterhaltung
der Staatsverfassung nothwendig ist, nicht eingeschränkt werden solle, und
daß die Gesetze in Regierungs- und Polizeigegenständen die Absicht haben, das Wohl
jedes Staatsbürgers und das Wohl der vereinten Gesellschaft, beides in billigem Ebenmaß
gegeneinander zu befördern.“
Die Absicht, eine Repräsentativ-Verfassung einzuführen, ist erstmals ausgesprochen wor-
den in einer landesherrlichen Verordnung vom 5. Juli 1808, Reg. Bl. Stück XXI, S. 185, die
Organisation der obersten Staatsbehörden betr. In dieser wird dem Lande eröffnet,
„die Reihenfolge der wichtigsten Veränderungen, welche die Auflösung der Verfassung
des Deutschen Reichs und die Bildung des Rheinischen Bundes herbeigeführt haben, die Ein-
verleibung so verschiedenartiger Elemente in den badischen Staat — — sprechen das Be-
dürfniß stärker als je aus, dem Großherzogthum eine Grundverfassung und zweckmäßigere
Verwaltungs-Ordnung zu geben. Der Großherzog sei daher entschlossen, die Staatsverwal-
tung auf einfache und pragmatische Grundzüge, welche dem Geist der Zeit entsprechen, zurück-
zuführen — — und wolle ferner mittelst einer Landesrepräsentation, wie sie in Westfalen und
Bayern eingeführt worden, das Band zwischen dem Landesfürsten und dem Staatsbürger noch
fester als bisher geknüpft wissen.“
Die in Folge dessen ausgearbeiteten Entwürfe gelangten jedoch nicht zu einem Abschlusse
und blieben ohne Einfluß auf die späteren Verfassungsarbeiten. Diese wurden veranlaßt durch
die unter Großherzog Karl immer dringlicher sich hervordrängende Nothwendigkeit, den Bestand
des Großherzogthums und die Erbfolge auf dem Throne desselben zu sichern, und durch die
immer lebhafter werdenden Wünsche der verschiedenen Bevölkerungsgruppen, einerseits des früher
reichsunmittelbar gewesenen Adels, anderseits des Bürgerthums nach Sicherung ihrer Rechte,
insbesondere auf steuerlichem Gebiete.
Nachdem vom Jahre 1814 an eine Reihe von Entwürfen einer Verfassung von hervor-
ragenden Staatsmännern ausgearbeitet un vond Kommissionen begutachtet worden war, die
endgültige Feststellung und Veröffentlichung aber theils durch die Zeitumstände, theils in Folge
von Meinungsverschiedenheiten, theils in Folge der Krankheit des Großherzogs sich mehrfach
verzögert, sodann der Letztere mit Kabinetsschreiben an den Staats= und Kabinetsminister
von Reizenstein die Wiederaufnahme der Verhandlung befohlen, auch mündlich den damaligen
Finanzrath Nebenius zum Referenten ernannt hatte, fand endlich der von diesem ausgearbeitete
Entwurf die Zustimmung der Kommission, wurde von dem damals im Bad Griesbach weilen-
den Landesherrn unterm 22. August 1818 sanktionirt und sodann im Reg. Bl. Nr. XVIII vom
29. August 1818, S. 101, als „Verfassungsurkunde für das Großherzogthum Baden“
verkündet ?).
Schon vorher war durch die Hausgesetze vom 4. Oktober 1817 die Erbfolge in dem
Großherzoglichen Hause geregelt und gesichert worden.
Mit der Verfassungsurkunde steht in unmittelbarer Verbindung die unterm 23. Dezember
1818 erlassene Wahlordnung für den Landtag.
An der „Verfassungsurkunde“ sind seit ihrer Verkündung nur verhältnißmäßig wenige
Aenderungen vorgenommen worden. Eine solche vom 14. April 1825, Reg. Bl. Nr. VI, S. 23,
welche eine sechsjährige Landtagsperiode mit Gesammterneuerung und dreijähriger Budget-
periode und Versammlung des Landtags von drei zu drei Jahren eingeführt hatte, ist schon
durch Gesetz vom 8. Juni 1831, Reg. Bl. Nr. X, S. 79, wieder aufgehoben worden. Aende-
rungen in Einzelheiten wurden bewirkt
bezüglich der theilweisen Erneuerung der Stände-Versammlung (88 31, 38 u. 79 d. V. U.)
durch das Gesetz vom 28. Dezember 1831, Reg. Bl. Nr. IV, S. 62, und — dieses Gesetz wieder
aufhebend — durch jenes vom 5. August 1841, Reg. Bl. Nr. XXV, S. 213; ferner vom 16. April
1870, G. u. V. Bl. Nr. XXV, S. 299;
bezüglich der Gleichberechtigung der Konfessionen und der Form des Verfassungseides
(§§ 9, 19, 37, 69) durch Gesetz vom 17. Febr. 1849, Reg. Bl. Nr. VII, S. 75;
bezüglich der Wählbarkeit zum Abgeordneten zur II. Kammer und der Freiheit von
1) Hofraths-Instruction v. 28. Juli 1794, §§ 25 u. 28.
2) Wortgetreuer Abdruck s. in Wielandt, Bad. Bürgerb. I, S. 42ff.
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