Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

§ 75. Aufhebung der Gesetze. 175 
Seitens des Reiches und der Gesetzgebung desselben“ in der Art, daß, soweit und sobald 
über einen Gegenstand die Reichsgesetzgebung sich ausgesprochen hat, hinsichtlich der von 
dieser Gesetzgebung geordneten Rechtsbeziehungen eben nur das Reichsrecht gilt und für die 
Landesgesetzgebung keine andere Aufgabe bleibt, als die zum Vollzug oder zur Ergänzung 
der Reichsgesetze etwa erforderlichen weiteren gesetzlichen Bestimmungen zu treffen 7. 
Hinsichtlich einzelner Rechtsverhältnisse enthält die Reichsverfassung selbst unmittelbar 
anwendbare positive sachliche Bestimmungen ?. 
§ 75. VII. Aufhebung der Gesetze. Theilweise oder zeitweise Außerkraftsetzung der- 
selben. Die verbindliche Kraft eines Gesetzes dauert, sofern dasselbe nicht ausdrücklich für 
blos vorübergehende Verhältnisse oder für eine bestimmte Zeit sich als geltend bezeichnet 
hat, fort bis zu dessen Aufhebung #). Insbesondere „heben Aenderungen in den veran- 
lassenden Umständen und Beweggründen eines Gesetzes niemals dessen Verbindlichkeit auf“!). 
Ebensowenig kann ein Gesetz durch entgegenstehendes Gewohnheitsrecht oder Her- 
kommen abgeschafft werden 5). Nur die rein thatsächliche Wirkung kann die Aenderung der 
thatsächlichen Verhältnisse haben, auf welche ein Gesetz sich bezieht, daß dasselbe wegen 
Mangels der thatsächlichen Unterlagen desselben unanwendbar wird. 
Die Aufhebung eines Gesetzes oder einzelner Theile desselben durch ein anderes 
Gesetz kann entweder durch ausdrücklichen Ausspruch geschehen oder stillschweigend dadurch, 
daß ein neues Gesetz Bestimmungen trifft, mit welchen die seitherigen nicht vereinbar sind. 
Für diesen letzteren Fall gilt jedoch der Grundsatz, daß solche Gesetze, die für einzelne be- 
sondere Verhältnisse oder Personen oder Klassen derselben gegeben sind, durch spätere all- 
gemeine Gesetze nicht ohne Weiteres aufgehoben werden"). 
Eine Beschränkung der gesetzgebenden Gewalt als solcher in der Befugniß, irgend 
ein Gesetz aufzuheben, besteht nicht und wäre wirkungslos. Nur erschwert ist die Auf- 
hebung gewisser Gesetze, insbesondere der Verfassung, dadurch, daß dieselbe an gewisse 
Formen und außergewöhnliche Stimmenmehrheiten geknüpft ist. Vgl. § 42. 
Was oben von der Aupfhebung von Gesetzen gesagt ist, gilt auch von der Aufhebung 
von Verordnungen. Nur kommt hinzu, daß jede Verordnung durch ein entgegenstehendes 
Gesetz aufgehoben wird. In dem gleichen Verhältnisse steht die Landesgesetzgebung zur 
Reichsgesetzgebung. 
Sofern und soweit das Gesetz selbst keine Ausnahmen macht, findet es auf alle 
Verhältnisse Anwendung, die demselben nach den Regeln einer verständigen Auslegung unter- 
stellt werden können, und die vollziehende Gewalt ist verpflichtet, dasselbe auf alle diese 
Verhältnisse anzuwenden. Nur dann und soweit darf die vollziehende Gewalt von der An- 
wendung des Gesetzes Umgang nehmen, wenn und soweit das Gesetz selbst derselben diese 
Befugniß ausdrücklich eingeräumt hat. Diese Nichtanwendung und zwar in der Art, daß 
ein einzelnes Rechtsverhältniß oder eine einzelne Gattung von solchen von vornherein einer 
anderen Bestimmung als der allgemeinen gesetzlichen unterstellt wird, die Dispensation 
(Nachsichtsertheilung), bewirkt, daß das betreffende Rechtsverhältniß ungeachtet seiner Ab- 
weichung von den allgemeinen Bestimmungen ein gesetzliches ist. 
Eine zeitweise Außerkraftsetzung der Gesetze und der ordentlichen Behörden, sei es für 
das ganze Land, sei es für einen Theil desselben kann dadurch stattfinden, daß dasselbe 
in Kriegszustand erklärt wird (R.V. Art. 68). 
(R.Verf. Art. 35 ff.) das Post- und Telegraphenwesen (a. a. O. Art. 48ff); die Kriegsmarine (a. a. 
O. Art. 53 ff.;; das Reichskriegswesen (Art. 57 ff.) 2c. 2c. 
1) Vgl. R. Verf. Art. 4 
2) 9 Kerk. Art. s, 30, 31, 41, 46, 47. S. o. 827. 
3) V. u. g 66 4) L.R.S. 61. 
5) S.N.S. 6. 6) L.R. S. 6c.
	        
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