Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

220 Sechster Abschnitt: Die Landesverwaltung. I. Kapitel. 8 101. 
Sie können zwar ein gewisses Thun und Vassen der im Staate befindlichen Menschen 
bei Zwangsvermeiden vorschreiben, d. h. polizeiliche Verordnungen und Anordnungen er- 
lassen, aber nur auf Grund und nach Maßgabe eines Gesetzes, das die Strafsanktion ent- 
hält. Ueber die Form der Erlassung und Verkündung solcher Verordnungen, bezirks= oder 
ortspolizeilichen Vorschriften s. 3 70. 
Die badischen Bestimmungen über die Strafverfolgung von (Polizei= Uebertretungen 
beruhen auf §§ 453 ff. der R. Str. Pr. O. und § 6, Z. 5 des R. Einf. Ges. dazu. 
Nach denselben 1) sind die Bezirkspolizeibehörden befugt, bei Uebertretungen die in 
den Strafgesetzen angedrohten Strafen nach Maßgabe von § 453 der Str. Pol.5) festzu- 
setzen und zu vollstrecken. 
Den Bezirkspolizeibehörden stehen hinsichtlich des zur Vorbereitung der Strafver- 
fügung erforderlichen Verfahrens die in 8 159 der Str. Pr. O. erwähnten Befugnisse der 
Staatsanwaltschaft zu. 
Bei Uebertretungen in Bezug auf Eisenbahnen steht die gleiche Befugniß, jedoch nur 
bezüglich für verwirkt erachteter Geldstrafen, den Bahnhofsvorständen, und bei Ueber- 
tretungen der Verordnungen für die Häfen und Ein= und Ausladeplätze am Rhein und 
dessen Nebenflüssen sowie am Bodensee der mit Verwaltung des Hafens beauftragten Finanz- 
behörde zu. 
Gegen die Strafverfügungen der genannten Behörden steht dem Beschuldigten außer 
dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Beschwerde an die höhere Polizei= bezw. Eisen- 
bahn= oder Finanzbehörde zu. 
Sie muß binnen einer Woche nach Bekanntmachung der Strafverfügung bei der Be- 
hörde, welche dieselbe erlassen hat, mündlich oder schriftlich unter Bezeichnung der Be- 
schwerdepunkte angezeigt und gerechtfertigt werden. 
Gegen eine Versäumung der Beschwerdefrist ist unter den in den s§ 44 und 45 der 
Str. Pr.O. bezeichneten Voraussetzungen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig. 
Die Ergreifung des einen Rechtsmittels hat den Verlust des andern zur Folge. 
Die Bürgermeister können an Orten, wo ihnen die Handhabung der Ortspolizei über- 
tragen ist, wegen gewisser im Gesetz genau bestimmter Uebertretungen, wenn sie innerhalb 
der Gemarkung ausgeübt sind, die gesetzlich angedrohten Strafen, jedoch nicht in höherem 
Betrage, als bis zu 2 Tagen Haft oder bis zu 10 Mk. und in Städten von mehr als 
3000 Einwohnern bis zu 30 Mk. Geldstrafe nach Maßgabe der oben erwähnten Bestim- 
mungen durch Verfügung festsetzen und vollstrecken. 
Gewisse Klassen von Personen sind jedoch von dieser Befugniß des Bürgermeisters 
ganz oder theilweise ausgenommen. 
Die polizeiliche Thätigkeit des Bürgermeisters steht unter stetiger Aufsicht des Be- 
zirksamts. An dieses geht die Verwaltungsbeschwerde gegen Strafverfügungen des Bürger- 
meisters. Es kann auch Fälle, die zur Zuständigkeit des Bürgermeisters gehören, zur Er- 
ledigung an sich ziehen. 
Höhere Polizeibehörde zur Erledigung von Beschwerden gegen Strafverfügungen des 
Bezirksamts ist der ihm vorgesetzte Landeskommissär. 
Im Uebrigen ist das in Polizeistrafsachen einzuhaltende Verfahren durch Verordnung 
eingehend geregelt. 
Den unmittelbaren Forderungen des Lebens würde es nicht genügen, wenn die polizei- 
1) Angef. bad. Einf. Ges. v. 3. März 1879, 8§ 124 ff. 
2) Also nur Haft bis zu 14 Tagen und Geldstrafen und mit Vorbehalt des Rechtes des 
Angeschuldigten, auf gerichtliche Entscheidung anzutragen.
	        
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