Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

226 Sechster Abschnitt: Die Landesverwaltung. I. Kapitel. &5 105. 
zu ihrer Kenntniß gelangenden Thatsachen, welche die Zulässigkeit der Zwangserziehung be- 
gründen, dem Bezirksamte mitzutheilen, in dessen Bezirk das Amtsgericht seinen Sitz hat. 
Das Bezirksamt hat auf Grund des Gerichtsbeschlusses die Unterbringung zur Zwangs- 
erziehung anzuordnen, insbesondere zu bestimmen, ob die Unterbringung in einer Familie 
oder in einer Anstalt stattzufinden habe, den Vollzug zu leiten und zu überwachen und 
soweit nöthig für ein angemessenes Unterkommen des Zöglings nach Beendigung der Zwangs- 
erziehung zu sorgen. Mit den erforderlichen Maßnahmen kann der Ortsarmenverband, der 
nach Maßgabe des Gesetzes über den Unterstützungswohnsitz zur Unterstützung des Zög- 
lings endgiltig verpflichtet ist, oder der Ortsarmenverband, in dem sich der Zögling zur 
Zeit der Anordnung der Zwangserziehung aufhält, beauftragt werden. 
Für jeden in einer Familie untergebrachten Zögling ist vom Bezirksamt ein Für- 
sorger zu bestellen, welcher im Verein mit dem Waisenrichter die Leistungen der Familie, 
welcher der Zögling überwiesen ist, sowie das Verhalten des Letzteren persönlich überwacht. 
Anstalten, welche zur Aufnahme der in § 362 des R. Str.G. B. bezeichneten Per- 
sonen oder zur Unterbringung von Kranken, Gebrechlichen oder Landarmen bestimmt sind, 
dürfen nicht für die Zwangserziehung verwendet werden. 
Das Recht der Zwangserziehung hört mit dem vollendeten achtzehnten Lebensjahre 
des Zöglings auf. 
In außergewöhnlichen Fällen kann jedoch das Recht der Zwangserziehung durch 
Beschluß des Amtsgerichts bis zum vollendeten zwanzigsten Lebensjahre des Zöglings aus- 
gedehnt werden. 
Die Entlassung aus der Zwangserziehung hat vor dem vollendeten achtzehnten bezw. 
zwanzigsten Lebensjahre des Zöglings einzutreten, wenn die Erreichung des Zwecks der 
Zwangserziehung anderweitig sichergestellt oder dieser Zweck erreicht ist. 
Das Bezirksamt kann, wenn nur eine Wahrscheinlichkeit für die Zweckmäßigkeit der 
Entlassung vorliegt, die zum Vollzug der Zwangserziehung getroffenen Maßregeln vorläufig 
und auf Widerruf einstellen oder beschränken. 
Die durch die Zwangserziehung veranlaßten Kosten sind vorläufig von dem mit 
dem Vollzug beauftragten Ortsarmenverband, in Ermangelung eines solchen aus der Staats- 
kasse zu bestreiten. 
Sie sind aus dem eigenen Vermögen des Zöglings oder von den aus privatrecht- 
lichem Titel zur Leistung seines Unterhalts Verpflichteten zu ersetzen. 
Im Falle des Unvermögens dieser Verpflichteten fallen die durch die Unterbringung 
zur Zwangserziehung erwachsenden Kosten der Hin= und Zurückreise, der Ausstattung, ein 
Dritttheil der Kosten der Erziehung und Verpflegung, sowie die Kosten für ein an- 
gemessenes Unterkommen bei der Entlassung dem Armenverbande zur Last, der zur Zeit 
der Leistung endgiltig zur Unterstützung des Zöglings nach Maßgabe des Gesetzes über den 
Unterstützungswohnsitz verpflichtet ist. Die den Armenverbänden nicht zur Last fallenden 
Kosten werden von der Staatskasse getragen. 
Streitigkeiten über die Verpflichtung zur Erstattung der Kosten, sowie über den 
Umfang dieser Verpflichtung entscheiden die Verwaltungsgerichte. 
Gegen Verfügungen der Bezirksämter, welche die Anordnung und den Vollzug der 
Zwangserziehung betreffen, findet auf Grund des § 4 Ziff. 1 des V.R. Pfl.G. die Klage 
vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht statt. 
Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden auch für diejenigen Fälle, in welchen nach 
§ 56 Abs. 2 d. R.Str. G.B. der Angeschuldigte in eine Erziehungs-oder Besserungsanstalt 
gebracht werden soll, entsprechende Anwendung.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.