262 Sechster Abschnitt: Die Landesverwaltung. III. Kapitel. 8 126.
§ 126. V. Das öffentliche Eisenbahnrecht. 1) Die Erbauung und der Betrieb von
Eisenbahnen im Großherzogthum Baden, sowohl von Vollbahnen als von Bahnen unter-
geordneter Bedeutung (Sekundärbahnen, Nebenbahnen, Localbahnen), geschieht für jede der
Bahnen auf Grund besonderen Gesetzes oder ständisch genehmigten Staatsvertrags. Soweit
nicht der Staat selbst den Bau und Betrieb übernommen hat bezw. übernimmt, ist für
den ihn unternehmenden Dritten ferner eine staatliche Konzession nöthig, nach deren Be-
dingungen der Unternehmer sich zu richten hat.
Bei den Vollbahnen ist übrigens das Eigenthum zum weitaus größten Theil, der
Betrieb ausnahmslos in den Händen des Staates. Von den Nebenbahnen befindet sich ein
Theil sowohl im staatlichen Eigenthum als im staatlichen Betrieb, ein Theil im Privat-
eigenthum, aber staatlichen Betrieb, ein anderer sowohl bezüglich des Eigenthums als des
Betriebs in Privathänden. Einzelne Strecken badischen Eigenthums sind an andere Eisen-
bahnverwaltungen verpachtet, andere Strecken fremden Eigenthums sind von der badischen
Verwaltung gepachtet, wieder andere stehen im Mitbetrieb der badischen mit einer fremden
Verwaltung.
Der Betrieb badischer Staatsbahnen erstreckt sich theilweise über die Landesgrenzen
in Nachbargebiete, wie anderseits der Betrieb der Eisenbahnen benachbarter Staaten theil-
weise auf badisches Gebiet sich ausdehnt.
Bei der Konzessionirung von Privatbahnen pflegen, wie auch in den Staatsverträgen
über die Erbauung und den Betrieb von Bahnen auf badischem Gebiete durch nichtbadische
Verwaltungen den Unternehmern gewisse Vortheile zugesichert (Steuerfreiheit, Anwendung
des Eisenbahn-Expropriationsgesetzes), anderseits dem badischen Staat ein gewisser Einfluß
auf die Gestaltung von Bau und Betrieb gewahrt zu werden.
Für die Art des Baues und Betriebes und die dabei sich ergebenden öffentlich-recht-
lichen Verhältnisse sind wesentlich die reichsrechtlichen Vorschriften (Normen für die Kon-
struktion und Ausrüstung, Bahnpolizeireglement, Signalordnung, Bahnordnung) maßgebend.
Auf Grund derselben sind insbesondere für den Betrieb von Lokalbahnen mit Verordnung
vom 26. Sept. 1890 2) bahnpolizeiliche Vorschriften erlassen worden.
Uebertretungen in Bezug auf Eisenbahnen unterliegen, soweit nicht § 62 des R.B.
Pol. Regl. Anwendung findet, der Strafbestimmung von Pol. Str. G. B. § 157.
Die Bahnämter, Bahnverwaltungen und Bahnexpeditionen sind befugt, bei den inner-
halb ihres Bezirks bezw. ihrer Station verübten Uebertretungen in Bezug auf Eisenbahnen
die für verwirkt erachtete Geldstrafe bis zu 30 Mk. durch Verfügung festzusetzen. Im
Uebrigen findet hier ein ähnliches Verfahren statt wie bei anderen Uebertretungen?).
Verwaltet wird das Eisenbahnwesen — als sog. ausgeschiedener Verwaltungszweig
(s. o. 9§ 99), unter der Oberleitung des Ministeriums des großherzoglichen Hauses und der
auswärtigen Angelegenheiten durch die Generaldirektion der großherzoglich badischen Staats-
eisenbahnen ). Ihr untersteht auch die Bodenseedampfschifffahrt.
An ihrer Spitze steht ein Generaldirektor; sie theilt sich in vier Abtheilungen: Betriebs-
abtheilung, Abtheilung für Gütertarifangelegenheiten, technische Abtheilung, Rechnungsab-
theilung. Als Centralbehörden haben mitzuwirken: die Eisenbahnhauptkasse, die Haupt-
1) Insbes. über die Entwickelung des bad. Eisenbahnwesens s. „Das Großherzogthum Baden“,
w Snsten S. f. die Jahresberichte über die Eisenbahnen und die Dampfschifffahrt im Großherzog=
um Baden.
2) G. u. V. Bl. Nr. XEI, S. 614.
3) § 127 d. bad. Einf. Ees. v. 3. März 1879 z. R. Str. G. B.; Verord. d. Hand.Min. v. 29. Sept.
1879, G. u. V. Bl. Nr. XIIX, S. 773.
4) Ldh. Verord. v. 17. März 1888, G.u. V. Bl. Nr. VIII, S. 185; v. 7. März 1893, G.u.V. Bl.
Nr. VII, S. 33; v. 4. Okt. 1883, G. u.V. Bl. Nr. XXII, S. 311.