Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

8152. Rechtliche Stellung der vereinigten evangelisch-protest. und der römisch-kathol. Kirche. 313 
lesungen aus dem Lehrkreise der philosophischen Fakultät in demselben Umfange, wie für 
die Studierenden der Rechtswissenschaft, der Medizin und des Kameralfaches vorgeschrieben 
ist, mit Fleiß gehört hat. 
Vom dreijährigen Besuch einer deutschen Univerfität darf der nicht dispensirt werden, 
welcher seine Studien an einer Anstalt gemacht hat, an der Jesuiten oder Mitglieder 
anderer verwandter Orden (R. G. v. 4. Juli 1872) lehren. 
Das Nähere ist durch Regierungsverordnung bestimmt; ebenso, in wie weit und 
unter welchen Voraussetzungen auswärtigen Geistlichen die öffentliche Ausübung kirchlicher 
Funktionen aushilfsweise und vorübergehend gestattet ist. 
Diese Bestimmungen finden auch Anwendung auf den katholischen Kapitularvikar, 
den Generalvikar, die außerordentlichen Räthe und Assessoren des erzbischöflichen Ordinariats, 
auf die Vorsteher und Lehrer des Seminars 7). 
Zu 68): Mitglieder des Ordens der Gesellschaft Jesu oder ihre verwandten Orden 
und ordensähnlichen Kongregationen sind in Folge des reichsrechtlichen Ausschlusses vom 
Gebiete des Deutschen Reiches auch von der Ausübung jeder kirchlichen Funktion aus- 
geschlossen. Dem Geistlichen, welcher wegen Amtsmißbrauches vom Amte entlassen oder zur 
Bekleidung eines Kirchenamtes durch gerichtliches Urtheil für unfähig erklärt ist, ist jede 
öffentliche Ausübung kirchlicher Funktionen untersagt ). 
I) Durch die der großherzoglichen Staatsregierungen zustehenden Ausschließungsrechte. 
Kein Kirchenamt kann an eine Person vergeben werden, welche von der Staatsregie- 
rung unter Angabe des Grundes als ihr in bürgerlicher oder politischer Beziehung miß- 
fällig erklärt worden ist ?). 
Besondere Ausschließungsrechte stehen der großherzoglichen Regierung außerdem hin- 
sichtlich der Besetzung des erzbischöflichen Stuhles, des Domkapitels und der Dompräbenden 
zu. Hierüber f. u. 
1) §9 d. Ges. v. 9. Okt. 1890 in d. jetzigen Fassung. Die ldh. Verord. v. 11. April 1880, 
G. u. V. Bl. Nr. XV, S. 117, bestimmt hierzu u. A.: Niemand darf als Geistlicher der katholischen 
oder der evangelisch-protestantischen Kirche mit einem nicht blos vorübergehende öffentliche Ausübung 
kirchlicher Funktionen erfordernden Amte im Großherzogthum betraut werden, bevor die im Gesetze 
(s. o.) bezeichneten Nachweisungen dem Ministerium des Innern vorgelegt und von diesem als genügend 
anerkannt worden find, beziehungsweise durch das Staatsministerium Dispensation ertheilt ist. 
Diese Vorschrift kommt zur Anwendung, gleichviel ob das Amt dauernd oder widerruflich 
übertragen worden, oder nur eine Stellvertretung ober Aushilfeleistung in demselben statthaben soll. 
In dringenden Fällen kann eine vorübergehende Stellvertretung oder Aushilfeleistung auch 
solchen Geistlichen, bezüglich deren die oben bezeichneten Voraussetzungen nicht vorliegen, einstweilen 
und vorbehaltlich des Einspruchs des Ministeriums des Innern übertragen werden. 
Dem Ministerium des Innern ist in solchen Fällen von der Stellvertretung bezw. Aushilfe- 
leistung unter Angabe des Anlasses, sodann des Namens, des Wohnsitzes und der sonstigen Dienst- 
stellung des damit beauftragten Geistlichen jeweils sofortige Anzeige zu erstatten. 
Eine nur vorübergehende Stellvertretung oder Aushilfeleistung kann das Ministerium des 
Innern — auf vorherige Anfrage, oder durch Unterlassung des Einspruches auf die erstattete Anzeige — 
auch solchen Geistlichen gestatten, welche hinfichtlich ihrer allgemein wissenschaftlichen Vorbildung nicht 
allen Anforderungen, die das Geleh als Regel stellt, entsprechen. 
Weder einer Vorlage, noch einer Anzeige bedarf es für die Ausübung einzelner kirchlicher 
Handlungen durch auswärtige, blos vorübergehend im Großherzogthum sich aufhaltende Geistliche, 
wenn die betreffenden Handlungen weder in Ausübung eines geistlichen Amtes, noch als Stellver- 
tretung oder Aushilfe in der Seelsorge, sondern nur als eigene Andachtsübungen des Geistlichen statt- 
finden (z. B. bei sogenannten Privatmessen). 
Diese Bestimmungen finden auch auf die Abhaltung von Missionen Anwendung, nachdem das 
Gesetz v. 2. April 1872, welches deren Abhaltung durch Mitglieder im Großherzogthum nicht ein- 
geführter Orden verboten hatte, durch Ges. v. 14. Juli 1894, G. u. V. Bl. Nr. XXXIV, S. 297, auf- 
gehoben worden. 
2) § 16e d. Ges. v. 9. Okt. 1860 in d. Fassung von 1874. 
3) Angef. § 9 d. Ges. v. 9. Okt. 1860. Aus diesem Grunde kann auch eine bereits in einem 
Kirchenamte befindliche Person von der Erlangung eines anderen ausgeschlossen werden. — Ueber 
die Triftigkeit des angegebenen Grundes hat nur die großherzogliche Regierung selbst zu entscheiden.
	        
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