8SII. Rechtsvorzüge der Grundherren. 17
deren Besitz zur Zeit, als sie unter badische Souveränetät kam, Gerichtsbarkeit verbunden
war. In diese Klasse gehören auch diejenigen Adeligen, welche schon unter der Herrschaft
eines, nachmals mediatisirten, reichsständischen Hauses landsässig waren, aber zur oben-
erwähnten Zeit Gerichtsbarkeit besaßen 7).
1) Die Regelung der Rechtsverhältnisseder Grundherren hat in der badischen Verfassungsgeschichte
eine nicht unerhebliche Rolle gespielt. Durch Art. 25 der Rheinbundsakte vom 12. Juli 1806 kamen
diejenigen der bis dahin unmittelbaren Reichsritter, deren Besitzungen von badischem Gebiete ein-
geschlossen waren, unter badische Souveränetät, sie behielten jedoch außer ihren Privatrechten diejenigen
sog. Patrimonialrechte, welche man als nicht wesentlich zur Souveränetät gehörig betrachtete, namentlich
die niedere Gerichtsbarkeit in bürgerlichen und forstlichen Sachen, Polizei, Jagd, Patronat 2c. Ein
anderer Theil des Adels war schon zu jener Zeit landsäsfig, mittelbar, theils im altbadischen Lande,
theils in Gebieten, welche Baden nachmals erwarb (auch unter der Hoheit später selbst mediatisirter
Herren), besaß jedoch ebenfalls patrimoniale Rechte, insbesondere Gerichtsbarkeit. Großherzog Karl
Friedrich regelte durch das IV. Konst. Ed., die Grundherrlichkeits-Verfassung in dem Großherzogthum
Baden betr., vom 22. Juli 1807, Reg. Bl. Nr. 31, S. 165, welches „ein ewiges Grundgesetz der Staats-
verfassung“ sein sollte, die Verhältnisse dieser Grundherren zur Staatsgewalt durch eine neue, für
die sämmtliche alte und neu mediatifirte Ritterschaft im Hauptwesen gleichförmige Konstitution“.
Darnach waren den „Grundherren oder Grundherrschaftsbesitzern, d. i. allen jenen Ortsherren, welche
nicht ein unter dem Namen eines Fürstenthums oder einer Grafschaft vorhin zusammengeschlagenes
und deshalb mit Stimmfähigkeit bei Reichs= oder Kreistägen begabt gewesenes Gebiet besitzen u. A. für
ihre Personen, eine gewisse befreite Gerichtsbarkeit, Aufenthaltsfreiheit, Uniform, Giltigkeit der
Familienverträge, Freiheit von persönlichen Leistungen und persönlichen Steuern, von der Kriegs-
dienstpflicht, gewisse Ehrenrechte, für ihre Güter Freiheit der Edelhöfe selbst von der Steuer, ferner
niedere bürgerliche Gerichtsbarkeit und Polizei, die niederen Regalien, das Patronatsrecht zugestanden
worden. Unter Großherzog Karl wurden durch eine Reihe von Gesetzen, welche in den Jahren 1812
und 1813 erlassen wurden, die Vorrechte der Grundherren wesentlich geschmälert.
In der Deutschen Bundesakte, Art. 14, wurden dem ehemaligen Reichsadel
„die unbeschränkte Freiheit, ihren Aufenthalt in jedem zu dem Bunde gehörenden oder mit dem-
selben im Frieden lebenden Staate zu nehmen“; Aufrechterhaltung der „noch bestehenden Familien-
verträge und die Befugniß, über ihre Güter und Familienverhältnisse verbindliche Verfügungen zu
treffen, welche jedoch dem Souverän vorgelegt, und bei den höchsten Landesstellen zur allgemeinen Kenntniß
und Nachachtung gebracht werden müssen; Antheil der Begüterten an Landstandschaft, Patrimonial- und
Forstgerichtsbarkeit, Ortspolizei, Kirchenpatronat und der privilegirte Gerichtsstand“ zugesichert. Diese
Rechte sollten „jedoch nur nach Vorschrift der Landesgesetze ausgeübt“ werden. Durch zwei landesherrliche
Verordnungen vom 28. Dez. 1815 (Reg. Bl. 1816, Nr. III, S. 7 u. 8) wurden den Grundherren das
Kirchenpatronat und der befreite Gerichtsstand zurückgegeben. Dies veranlaßte einen Theil der Grund-
herren, die Regelung ihrer Rechte durch förmlichen Staatsvertrag zu verlangen, da „sie unvermögend
seien, die Rückgabe ihrer Rechte durch einzelne landesherrliche Deklarationen anzunehmen, und nur ein
solches Verhältniß als gesetzlich zu betrachten vermöchten, welches durch ihre freie Einwilligung be-
gründet werde“. Dieses Begehren wurde in einer landesherrlichen Bekanntmachung vom 7. Mai 1816,
Reg. Bl. Nr. XIV, S. 51, als Anmaßung und Unfug zurückgewiesen mit der Erklärung, daß der Groß-
herzog „die Rechte der Grundherren auf die Grundlage der Wiener Landes-Akte reguliren werde —,
daß er sich darüber weder mit Einzelnen, noch mit Standesdeputirten überhaupt einlassen könne, noch
werde, daß er insbesondere nie von dem Grundsatz der gleichen Vertheilung aller Staatslasten auf
alle Unterthanen, ohne Unterschied des Standes, abweichen werde". Die in Aussicht gestellte Regelung
erfolgte durch ein Edikt (Gesetz) „Die Rechts-Verhältnisse der vormaligen Reichs-Stände und Reichs-
Angehörigen betr., vom 23. April 1818, Reg. Bl. Nr. IX, S. 45. Sie erstreckte sich „auf die im Jahre
1806 und seither unter Unsere Landeshoheit gekommenen vormaligen Reichsstände, welche vorher wegen
ihren Besitzungen Sitz und Stimme auf Reichs= und Kreis-Tagen hatten, sodann auf die Uns an-
gefallenen Mitglieder der ehemaligen unmittelbaren Reichs-Ritterschaft“. Die ersteren, wie die letzteren
sollten „Überall zu gleichen Ansprüchen wie die übrigen Unterthanen berechtiget, und zu gleichen Pflichten
verbunden sein, wo ihnen nicht die nachfolgenden durch die Bundesakte ihnen ertheilten Vorrechte be-
sonders zu Statten kommen“. Als solche Vorrechte waren dem ehemals unmittelbaren Reichsadel ein-
geräumt: die in der Bundesakte zugesicherten Rechte, — sodann für den Fall des Verzichtes auf die
Gerichtsbarkeit und Polizei — als persönliche Vorzüge und Vergünstigungen eine gewisse Einwirkung
auf die Polizei= und Gemeindeverwaltung. Der früher landsässige begüterte Adel war in den letzteren
Vorzügen dem früher reichsunmittelbaren gleichgestellt. Alle in diesem Betreff früher erlassenen all-
gemeinen Gesetze und Verordnungen wurden für aufgehoben erklärt. In der bald darauf (unterm 22. Aug.
1818) erlassenen Verfassungs-Urkunde wurden in § 23 die Berechtigungen, die durch dieses Edikt „den
dem Großherzogthum angehörigen ehemaligen Reichsständen und Mitgliedern der vormaligen unmittel-
baren Reichs-Ritterschaft verliehen worden find", für „einen Bestandtheil der Staatsverfassung“ erklärt.
Dieses Edikt gelangte jedoch nicht zur Durchführung. Die vormaligen Reichsstände und Reichs-
Angehörigen erhoben dagegen Beschwerde bei dem Bundestag. Großherzog Ludwig sah sich hierdurch
Handbuch des Oeffentlichen Rechts III. 2. Aufl. Baden. 2