Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

811. Rechtsvorzüge der Grundherren. 19 
2. Die Befugniß zur Ausübung der niederen (Orts-) Polizei im Umfange der in 
ihren grundherrlichen Bezirken gelegenen Schlösser, Wohnungen sammt Zubehörde, in 
Unterordnung unter die Polizeigewalt des Bezirksamtes und nach Maßgabe der all- 
gemeinen Gesetze. 
Die Grundherren selbst sind außerhalb des grundherrlichen Bezirkes von der Polizei- 
strafgewalt der Bürgermeister insofern ausgenommen, daß die Bürgermeister Haftstrafen 
gegen Grundherren der Gemarkung nicht erkennen dürfen 7. 
3. Von der Vornahme von Ortsbereisungen ist den Grundherren Seitens der Bezirks- 
ämter behufs des Vortrags etwaiger Wünsche Kenntniß zu geben 2); auch sind sie in den 
nicht der Städteordnung unterstehenden Gemeinden berechtigt, bei der Ausstellung der Ge- 
meinde-Voranschläge mitzuwirken?). 
Den Bezirksämtern ist vorgeschrieben, ihre Erlasse an die Grundherren diesen nicht 
durch Vermittlung der Bürgermeister, sondern unmittelbar zuzusenden und den Ersteren 
hierbei das Prädikat: „Hochwohlgeboren“ oder — bei Grafen — „Hochgeboren“ zu geben. 
4. Bezüglich der Lehenstaxen und der Allodifikation von Lehen ist den Grundherren 
eine gewisse Erleichterung zugesichert. 
5. Das Ehrenrecht einer eigenen Uniform. 
Endlich der evangelisch-protestantischen und der römisch-katholischen Kirche gegenüber 
steht den Grundherren das Kirchenpatronat zu, ein Recht jedoch, welches jetzt nicht mehr 
den Charakter eines öffentlichen, sondern eines Privatrechtes hat“) 
b) Insbesondere den vormals reichsunmittelbaren Grundherren 
stehen außerdem folgende Vorrechte zu: 
1. Denjenigen Grundherren, welche durch ihren Güterbesitz zur Zeit der Mediati- 
sirung Unterthanen mehrerer deutscher Souveräne geworden sind, ist die gleichzeitige Aus- 
übung des badischen Staatsbürgerrechtes neben dem, das sie in anderen Bundesstaaten 
in Beziehung auf ihre dortigen Besitzungen genießen, gestattet, insofern diese Bundes- 
staaten den nämlichen Grundsatz gegen das Großherzogthum anerkennen?). 
2. Das Recht der Familien-Autonomie. „Es werden nämlich nach den Grundsätzen 
der früheren deutschen Verfassung ihre noch bestehenden Familienverträge aufrecht erhalten 
und den Grundherren wird die Befugniß zugesichert, über ihre Güter= und Familien= 
verhältnisse verbindliche Verfügungen zu treffen, die jedoch dem Souverän zur Bestätigung 
vorgelegt werden müssen, welche ihnen ohne gesetzliche Ursache niemals erschwert oder ver- 
weigert werden darf“?). 
83. Eine gewisse Zuständigkeit der freiwilligen Gerichtsbarkeit innerhalb der grund- 
herrlichen Familie. Bei den Sterbefällen ritterschaftlicher Familienmitglieder nämlich ist 
„den Erbschaftsbetheiligten, wenn sie darüber miteinander einverstanden sind, zugestanden, 
die Verlassenschaftsabhandlung unter Leitung des Familienältesten, ohne Beiziehung obrig- 
keitlicher Behörden, vorzunehmen. Nur muß, wenn Minderjährige sich unter den Erben 
befinden, dasjenige, was für solche Fälle die Gesetze vorschreiben, beobachtet werden“?). 
1) G. O. § 6 Abs. 3. Der Grundherr nimmt hierbei die nämliche Stellung ein, wie die Orts- 
polizeibehörde (Bürgermeister). Dagegen kann er polizeiliche Vorschriften oder Anordnungen, weil 
ihm im Pol. Str. G. B. § 23 eine solche Zuständigkeit nicht eingeräumt ist, nicht erlassen. Wielandt, 
Gemeinderecht I, 3. Aufl., Zus. 4 zu G.O. § 6, S. 44; § 131 d. Ges. v. 3. März 1879, die Ein- 
führung der Reeichosustigesete 2c. 2c. G. u. V. Bl. Nr. X, S. 91. 
2) Erl. d. Min. d. Inn. v. 4. Jan. 1859, C. V.O-Bl. Nr. 2, S. 5. 
3) G.O. 8 94. 
4) Ges. v. 9. Okt. 1860, Reg. Bl. Nr. LI, S. 375, § 8. 
5) Jetzt nur noch bezüglich der sog. ,politischen" Rechte von Bedeutung. 
6) Vgl. Ed. v. 23. April 1818, §§ 11, 38. Das Reg. Bl. v. 1823 u. ff. enthält eine Reihe 
von Bestätigungen solcher Familienstatute. 
7) Vgl. Ed. v. 23. April 1818, §§ 9 u. 38. Bei der Aupfhebung der befreiten —
	        
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