812 Rechtsvorzüge der Standesherren. 23
Es wird gegen die standesherrlichen Familien ein ihren Verhältnissen angemessenes
Kanzleiceremonial beobachtet, wobei denselben das Prädikat „Durchlaucht“ bezw. „Erlaucht“
gegeben wird.
Es kommen ihnen die Ehrenrechte des Kirchengebetes (nach dem Großherzog) und des
Trauergeläutes in den Orten der standesherrlichen Gebiete mit Einstellung der Tanzmusik
während 14 Tagen zu.
Sie sind befugt, sich der bei ihnen üblichen Hofämter zu bedienen und sie durch
Uniformen auszuzeichnen.
8. Bei Verlassenschaftssachen der Mitglieder der standesherrlichen Familien stehen,
so lange zwischen den Betheiligten keine Differenzen entstehen, dem Familienhaupte gewisse
Erledigungsbefugnisse zu ½.
Die über die Bevormundung der Minderjährigen maßgebenden Hausverträge und
letzten Willensverordnungen, sowie das Herkommen, welches das Haupt einer standesherr-
lichen Familie zum tutor legitimus bestimmt, sollen beachtet werden?).
9. Die Huldigung geschieht durch das Familienhaupt für sich und die ganze Familie,
wenn dasselbe im Großherzogthum wohnt, persönlich, andernfalls schriftlich nach einer
besonderen Formel ).
C. Bechtliche Stellung zu den Gemeinden.
1. Die Standesherrn sind von der Polizeigewalt der Bürgermeister in gleichem
Maße ausgenommen wie die Grundherren, desgleichen ihre Beamten und Förster wie die
grundherrlichen. Sie selbst üben gleich den Grundherren im Umfange der in ihren
standesherrlichen Bezirken gelegenen Schlösser 2c. die niedere Polizei aus. Hierüber
vgl. 8 11.
2. Sie unterstehen der allgemeinen Gemeindegesetzgebung, sind daher nur unter den
gleichen Voraussetzungen wie andere Steuerpflichtige zu besteuern"). Sie sind jedoch darin
bevorzugt, daß
aà) ihre Residenzschlösser und die dazu gehörigen Gärten aus dem Gemeindekataster
ausgeschlossen sind):
b) ihre Schlösser, insofern sie für immer oder zeitweise zum Wohnsitze ihrer Eigen-
thümer bestimmt sind, frei von der Einquartierungspflicht sind );
e) ihnen — gleich wie den Grundherren — eine Mitwirkung bei der Aufstellung
des Gemeindevoranschlags zugestanden ist und ihnen von Ortsbereisungen Nachricht gegeben
werden soll.
d. Dekl. Die Fürsten haben die Anrede „Durchlauchtig hochgeborener Fürst“ und im Kontext das
Prädikat „Durchlaucht“ zu erhalten. Die gleiche Courtoisie ist gegen die nachgeborenen Mitglieder
der Fürstlichen Standesherschaften einzuhalten. Von den beiden gräflichen Häusern haben die Häupter
die Anrede „Erlauchter Hochgeborener Graf“ und im Kontext das Prädikat „Erlaucht“, die übrigen
Mitglieder das Prädikat „Hochgeboren", im Kontext abwechselnd mit „Hochdieselben“ anzusprechen.
Verord. d. Min. d. Ausw. Ang. v. 20. Dez. 1825, Reg Bl. Nr. XXXI, S. 226; v. 20. März 1829,
Reg. Bl. Nr. VII, S. 73; v. 25. Sept. 1829, Reg. Bl. Nr. XIX, S. 145.
1) Dekl. Fürstenberg, Fürst Leiningen, Graf Leiningen, v. d. Leyen § 18; Löwenstein § 17.
Im Uebrigen sind auch für die Standesherrschaften die befreiten Gerichtsstände aufgehoben.
Ges. v. 15. Febr. 1851. — Die Leiningen'schen Standesherrschaften haben noch ausdrücklich auf jede
Reklamation gegen jenes Gesetz verzichtet. S. Reg. Bl. 1865, Nr. XXII, S. 233, Nr. LIX, S. 529
u. 531. Vgl. Anm. 7 zu § 11.
2) Dekl. Fürstenberg, Fürst Leiningen, Graf Leiningen, v. d. Leyen § 22, Löwenstein § 18.
3) Dekl. Löwenstein § 19, sonst 23.
4) Daher mit ihren zur Hofhaltung gehörigen Wagen= u. Reitpferden schon nach G.O. § 89
nicht frohndpflichtig. S. a. die oben angef. Verzichte.
5) G.O. u. St.O. § 81 Ziff. 5.
6) R. Ges. v. 25. Juni 1868, betr. die Quartierleistung, § 4; Dekl. Fürstenberg § 68 letzt. Satz.
Fürst Leiningen § 57; Graf Leiningen § 48 Abs. 2; Löwenstein § 33; v. d. Leyen § 44 letzt. Abs.