24 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. I. Kapitel. § 12.
D. Staatliche Steuerpflicht.
Da im Großherzogthum alle Staatsbürger zu den öffentlichen Lasten ihr verhältniß-
mäßiges Betreffniß beizutragen haben und irgend eine Abgabenfreiheit nicht stattfindet,
so sind auch die Standesherrschaften diesem verfassungsmäßigen Grundsatze in der Regel
unterworfen.
Jedoch müßte, da die Standesherrschaften zu der privilegirtesten Klasse in Ansehung
der Besteuerung gehören, jede Befretung von irgend einer Abgabengattung, die künftig
etwa einer anderen Klasse von Staatsbürgern verwilligt werden dürfte, den Standesherr-
schaften gleichfalls zu gut kommen #.
E. Nutzbare Bechte.
1. Die vor der Mediatisirung bereits eröffnet gewesenen Bergwerke und Salinen
nebst den daraus fließenden Einkünften aller Art verbleiben den Standesherrschaften als
Domanialeigenthum; das Recht, neue Bergwerke und Salinen zu eröffnen, richtet sich jetzt
nach dem Berggesetze.
Bei Ertheilung von Konzessionen zu einem Berg= oder Salinenwerke in den standes-
herrlichen Gebieten steht den Standesherrschaften das Recht des Vorbaues zu .
2. Den Standesherrschaften sind die Gefälle und nutzbaren Rechte, welche aus ihrem
Eigenthum herrührten, seiner Zeit verblieben.
F. BRegierungsbesugnisse
stehen, abgesehen von der niederen Polizei, den Standesherrschaften nicht zu?).
Den Kirchen gegenüber steht den Standesherrschaften das Pfarrpatronatsrecht
zu,. wo sie es hergebracht haben 0.
G. Dienerverhältniß.
Die Standesherrschaften ernennen das zur Verwaltung ihres Vermögens erforder-
liche Personal. Sie sind insbesondere berechtigt, zu diesem Behuf ein Kollegium unter dem
Namen „Domänenkanzlei“ („„Kammer“) zu errichten, ihren Dienern Amtstitel zu ver-
1) Dekl. Fürstenberg §§ 60, 61, Fürst Leiningen §§ 50, 51; Graf Leiningen §§ 38, 39; Löwen-
stein §S 26, 27; v. d. Leyen §§ 37, 38. — Die in § 62 d. Dekl. Fürstenberg, § 40 d. Dekl. Graf
Leiningen u. § 39 d. Dekl. v. d. Leyen erwähnte Zollfreiheit ist durch § 133 der Zollordnung von
1835 aufgehoben worden.
2) Dekl. Fürstenberg §§ 58, 59; Fürst Leiningen §§ 48, 49; Graf Leiningen § 37; Löwenstein
§§ 24, 25; v. d. Leyen § 35.
3) Die Standesherrschaften Fürstenberg u. Fürst Leiningen haben 1849 auf jede Polizeigewalt
und Gerichtsbarkeit verzichtet, womit gleichzeitig die ihnen in den Deklarationen bezüglich der Ver-
waltung der Stiftungen zugesagte Mitwirkung schon damals weggefallen ist. Ges. v. 24. Febr.
1849, Reg. Bl. Nr. IX, S. 120. Fürst Leiningen hat außerdem 1863 vertragsmäßig auf jede Re-
klamation gegen das letztangeführte Gesetz verzichtet. Reg. Bl. 1865, Nr. XXII, S. 233. — Die
Löwenstein'sche Deklaration enthielt in §§ 22 u. 23 die Befugniß zur Ernennung der Schullehrer u.
Stiftungsverwalter, sowie eine gewisse Einwirkung auf die Verwaltung der Stiftungen. Die Schul-
patronate sind durch das bei § 11 angef. Ges. v. 28. April 1870 aufgehoben; die Einwirkung auf die
Stiftungen, soweit diese weltlich sind, durch das Stiftungsgesetz v. 5. Mai 1870, soweit sie kirchlich
find, durch die in Folge des Gesetzes vom 9. Okt. 1860 eingetretene Aenderung in der rechtlichen
Stellung der Kirchen im Staate. — Letzteres gilt auch bezüglich von den in der v. der Leyen'schen
Deklaration §§ 28, 33, in der Graf Leiningen'schen Deklaration §§ 28 u. 35 in Bezug auf obige Gegen-
stände erwähnten Rechten. Die Gräflich Leiningen'schen Standesherrschaften haben auf die ihnen in § 33
der Dekl. zugesicherte besondere Administration ihrer Waldungen verzichtet, sodaß unter Aufrecherhaltung
des § 89 des Forst.Ges. die Forste der Grfl. Standesherrschaften wie Privatwaldungen zu behandeln
sind. Reg. Bl. 1865, Nr. LX, S. 529 u. 531.
4) Angef. Ges. v. 9. Okt. 1860. Fürstlich Fürstenberg'sche u. Fürstlich Leiningen'sche Standes-
herrschaft betr.