26 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. II. Kapitel. 88 14, 16.
wird — reichsrechtlich — das Recht des Reichsangehörigen zur Theilnahme an den Wahlen
zum Reichstag und zur Theilnahme an der Verwaltung der Rechtspflege als Schöffe und
Geschworener dadurch nicht beeinträchtigt, daß er seinen Wohnsitz in einem anderen deutschen
Staate hat als in dem seiner Staatsangehörigkeit. Landesrechtlich sind ferner die nicht-
badischen Reichsangehörigen in den der Städteordnung unterstehenden Städten und in den
mittleren Gemeinden den Badenern gleichgestellt.
Hinsichtlich der Besteuerung sind die Reichsangehörigen durch das Reichsgesetz vom
13. Mai 1870 gegen Doppelbesteuerung geschützt.
Den Reichsausländerrn ist der Staatsschutz eigentlich nur vergünstigungsweise
gewährt. Es stehen ihnen die eben bezüglich der Reichsangehörigen erwähnten Rechte nicht
zu. Insbesondere kann in Folge von Bestrafung oder wegen Mittellosigkeit oder aus
politischen Gründen jederzeit ihre Ausweisung verfügt werden).
II. Kapitel.
Das Staatsoberhaupt.
§ 14. I. Allgemeine Vorbemerkung. Baden ist eine Monarchie, d. h. Oberhaupt
des Staates und alleiniger Träger der gesammten Staatsgewalt ist jeweils eine einzige
physische Person kraft eigenen Rechtes. Baden ist eine erbliche Monarchie, d. h. die
Person des jeweiligen Staatsoberhauptes ist zu dieser Stellung schon von vorneherein durch
die Geburt bezeichnet.
Baden ist eine verfassungsmäßige (konstitutionelle) Monarchie, d. h. das
Staatsoberhaupt ist in der Ausübung der Staatsgewalt theils in gesetzlich bestimmte
Schranken eingegrenzt, theils an gesetzlich bestimmte Formen gebunden.
Das jeweilige Staatsoberhaupt trägt den Titel: „Großherzog“.
§ 15. II. Das Recht auf die Krone und die Thronfolge. 1. Rechtliche Natur
des Thronfolgerechts. Das Recht auf die Thronfolge ist zwar ein eigenes subjektives
Recht des Thronfolgers und es wird beherrscht durch Formen und Voraussetzungen,
welche sonst vorzugsweise für privatrechtliche Beziehungen eingeführt sind, nämlich jene
des Erbrechtes. Allein es ist eben so wenig ein Privatrecht, als die rechtliche Stellung
des Staatsoberhauptes zum Staate eine privatrechtliche ist. Beide sind rein öffentlichen
Rechtens. Nicht um seinetwillen und zur Befriedigung seines rein persönlichen Interesses ist
der Großherzog Oberhaupt des Staates, sondern lediglich zur Erreichung des Staatszweckes
und zur Vollendung des Staatsorganismus ist derselbe diesem Organismus als höchstes
und zu den höchsten staatlichen Aufgaben berufenes Glied eingeordnet. Ebenso ist nur
des Staates wegen von vorneherein eine Rechtsbeziehung zwischen der Gesammtheit der
Staatsangehörigen und einer einzelnen Person und bezw. Personenreihe geschaffen,
wornach im Falle der Thronerledigung gerade diese zum Throne berufen, somit — den
Staatsangehörigen gegenüber — zum Throne berechtigt ist. Diese öffentlich-rechtliche
Ordnung kann daher möglicher Weise auf dem nämlichen Wege rechtlich abgeändert werden,
auf dem Verfassungsänderungen zu Stande kommen?).
Da das Wesen der Erbmonarchie darin liegt, daß die zur Thronfolge berechtigten
Personen schon von vorneherein, unabhängig von dem einzelnen Fall, bezeichnet sind, so
ist nur diese Thronfolge die ordentliche, jede andere eine außerordentliche.
1) Ges. v. 5. Mai 1870, das Aufenthaltsrecht betr., G. u. V. Bl. Nr. XXXII, S. 396, 8§ 3 u. 4.
Näheres s. u. im Kapitel von der Polizei.
2) Hierbei wäre bezüglich der Domänen, so lange Staatsgut u. Domänen der großh. Familie
nicht geschieden find, besondere Bestimmung nöthig.