32 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. II. Kapitel. § 21.
§ 21. IV. Rechtliche Stellung des Großherzogs. A. Im Allgemeinen. Da Baden
ein monarchischer Staat, ist das Oberhaupt desselben, der Großherzog, aus eigenem Rechte
und allein der Träger der gesammten Staatsgewalt, Niemanden im Staate unterthan,
Jedermann ihm. Daraus folgt für seine Person, was die V. U. in § 5 mit den Worten
ausdrückt: „Seine Person ist heilig und unverletzlich“, d h.
a) er steht über jedem menschlichen Richter und kann wegen keiner Handlung, die,
wenn von einer anderen Person begangen, Unrecht sein würde, für seine Person zu irgend
einer Art von rechtlicher Verantwortung gezogen werden, und zwar gleichviel, ob er die
Handlung als Regent oder als Privatmann vorgenommen hat. Für seine Regentenhandlungen
sind jeweils diejenigen Minister verantwortlich, welche zu denselben zugestimmt haben.
In vermögensrechtlichen Angelegenheiten dagegen unterstehen auch die privatrecht-
lichen Beziehungen des Großherzogs als Inhabers von Vermögensrechten zu anderen Per-
III. Ist die zur Regentschaft berufene Person ebenfalls verhindert, die Regentschaft zu über-
nehmen, so geht dieselbe ohne Rückfall an den nächstfolgenden Berechtigten über. Ausnahmsweise
fällt die Regentschaft, wenn der Thronfolger selbst zur Regentschaft berufen, aber wegen Minder-
jährigkeit oder Abwesenheit verhindert war, dieselbe zu übernehmen, bei eingetretener Volljährigkeit
oder nach seiner Rückkehr an denselben zurück.
IV. Mit dem Anfall der Regierung an einen minderjährigen Großherzog tritt die Regentschaft
kraft Gesetzes ein und hört mit der Volljährigkeit desselben in gleicher Weise wieder auf.
V. Befindet sich der präsumtive Thronfolger in der Lage von Ziff. I, Abs. 2, so kann durch
ein Gesetz je nach der Beschaffenheit des Falles bestimmt werden, daß derselbe von der Thronfolge
ausgeschlossen sein oder daß eine Regentschaft eintreten soll.
VI. Sollte bei einem zur Regierung gelangten Großherzog nach Ansicht des Staatsministeriums
einer der Fälle von Ziff. I, Abs. 2 eingetreten sein, so hat das Ministerium das Recht und die
Pflicht, auf Anregung und jedenfalls nach Erwägung der Wünsche und des Gutachtens des Familien=
rathes des großherzoglichen Hauses, den versammelten oder unverzüglich von ihm einzuberufenden
Stände den Antrag auf Eintritt einer Regentschaft vorzulegen.
Die beiden Kammern bezeichnen jede durch Wahl sechs Mitglieder, welche die Frage, ob eine
zureichende Ursache zur Bestellung einer Regentschaft vorhanden sei oder nicht, gemeinsam prüfen und
so lange beisammen bleiben, bis fie sich über Bejahung oder Verneinung der Frage geeinigt haben.
Gemäß dem Wahrspruch der 12 Mitglieder fassen die beiden Kammern ihre Beschlüsse über
den Antrag des Staatsministeriums.
Mit dem zustimmenden Beschlusse der beiden Kammern ist die Regentschaft eingetreten.
VII. Das Staatsministerium ist von der Berufung des Familienrathes bis nach erfolgter
Beschlußfassung der Stände und bis zur Uebernahme der Regentschaft burch den Regenten zur vollen
Ausübung der Regierungsrechte ermächtigt und kann in der Zwischenzeit nicht entlassen werden.
Dasselbe ist berechtigt, gleichzeitig mit dem Antrag auf Einsetzung der Regentschaft an die
Stände den Antrag zu bringen, daß es für die zum Behufe dieser Beschlußfassung getroffenen Maß-
regeln von jeder weiteren Verantwortlichkeit entbunden werde. Die Ständeversammlung faßt darüber
ohne Verzug den geeigneten Beschluß.
VIII. Der Regent übt im Namen des Großherzogs dessen verfassungsmäßige Regierungsgewalt
voll und unverkürzt aus. Er leistet, wenn die Stände versammelt sind, vor den Ständen, wenn die
Stände nicht beisammen sind, vor dem ständischen Ausschuß und dem Staatsministerium den Eid,
die Verfassung fest und unverbrüchlich zu halten.
IX. Tritt die Regentschaft wegen Minderjährigkeit des Großherzogs ein, so ist der § 7 des
Apanagengesetzes vom 21. Juli 1839 für die Kosten maßgebend. Wird aus einer anderen Ursache
eine Regentschaft eingesetzt, so sind unmittelbar nach Einsetzung derselben die Unterhaltungskosten
für die großherzogliche Hofhaltung und für die Hofhaltung und Repräsentation des Regenten durch
ein Spezialgesetz zu ordnen.
X. Aus der Bestellung des Regenten folgt nicht die Ernennung desselben zum Vormund über
die Person und das Vermögen des Großherzogs. Vielmehr bleibt die Bestellung der Vormundschaft
den autonomischen Anordnungen des großherzoglichen Hauses vorbehalten.
XI. Der Großherzog kann im Falle einer vorübergehenden Verhinderung für seine Stell-
vertretung in Ausübung bestimmter Regierungsrechte Vollmacht ertheilen (s. o.).
Tritt die Nothwendigkeit einer solchen Stellvertretung ein und ist der Großherzog selbst ver-
hindert, für dieselbe zu sorgen, so finden für die Dauer der Verhinderung die Bestimmungen der
Ziff. VI u. VII ihre Anwendung.
XII. Sollte bei eintretender Thronerledigung die Geburt eines Nachfolgers erwartet werden,
so finden die für den Fall von Ziff. I, Abs. 1 vorgesehenen Bestimmungen Anwendung.