Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

48 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. III. Kapitel. 8 28. 
antwortlichkeit der Minister. Sie werden von der großherzoglichen Regierung mit den 
erforderlichen Weisungen versehen. Diese Instruirung der Bundesrathsbevollmächtigten ist 
eine Regierungshandlung, wie jede andere, bedarf also grundsätzlich einer besonderen Mit- 
wirkung der Volksvertretung nicht mehr als jeder andere Regierungsakt. Inwieweit die 
Regierung glaubt, dabei die in Beschlüssen der Volksvertretung kundgegebene Anschauung 
derselben berücksichtigen zu sollen, ist eine politische Frage des einzelnen Falles). 
Zu dem Reichstage hat Baden 14, aus allgemeinen und direkten Wahlen mit ge- 
heimer Abstimmung hervorgegangene, Abgeordnete zu entsenden. 
III. Kapitel. 
Die Landstände. 
§ 28. I. Wesen der landständischen Einrichtung. „Das Großherzogthum hat eine stän- 
dische Verfassung“ 2) d. h. der Großherzog ist bei der Ausübung der Staatsgewalt nach 
näherer Maßgabe der Verfassung an die Mitwirkung einer Versammlung gebunden, welche 
rechtlich als die Vertretung der Gesammtheit der im Staate zusammengefaßten Persönlich- 
keiten gilt, der „Landstände“ oder „Stände“ oder der „Ständeversammlung“ 3). Der 
Grundgedanke des Rechtsstaates, wornach derselbe eine organische Zusammenfassung von 
freien Persönlichkeiten zu einer höheren Einheit ist, diese Persönlichkeiten also die Pflicht 
und das Recht haben, an der Erfüllung der Lebensaufgaben dieser höheren Einheit mit- 
zuarbeiten, gelangt durch die Einrichtung der „Stände“, welche diese Mitarbeit selbst bei 
der Staatsleitung an höchster Stelle vollziehen, erst recht zur Wahrheit. Durch diese Mit- 
arbeit erhält die im Volke lebende sittliche und Rechtsanschauung den nothwendigen Ein- 
fluß auf die Staatsleitung, kommen gegenüber den Anforderungen der Staatseinheit die 
vielgestaltigen Bedürfnisse der einzelnen im Staate vorhandenen Persönlichkeiten zum Aus- 
druck und zwar alles dieses zu dem Endzwecke, innerhalb des Staates die Harmonie der 
Einheit mit der Freiheit und Manchfaltigkeit zu erreichen. 
Aus diesem Grundwesen der „ständischen Verfassung“ folgt 
1. für das Verhältniß der Landstände zum Volke. Die Landstände bilden die gesetz- 
liche Bertretung des Volkes d. h. des Inbegriffes der im Staate vereinten beherrschten Per- 
sönlichkeiten, jedoch nur in dem innerstaatlichen Verhältnisse zwischen der Staatsregierung 
einerseits und den Regierten anderseits. Sie allein sind berufen, die Anschauung und den 
Willen des Volkes zum Ausdruck zu bringen. Sie vertreten das Volk in seiner Gesammt- 
heit, aber auch nur die Gesammtheit der Landstände bildet die Volksvertretung. 
Hieraus folgt insbesondere: 
a) Die Landstände in ihrer Gesammtheit sind nicht die Beauftragten des Volkes, 
sondern das einzige rechtmäßige Organ desselben. Ihre Entschließung bildet also von 
1) Aus Anlaß der Verhandlungen über die Reichssteuerprojekte in der Zweiten Kammer hat am 
6. Dez. 1893 die großherzogliche Regierung ganz richtig Folgendes erklärt: „daß die Instruirung 
der Bevollmächtigten zum Bundesrath zur Kompetenz der großherzoglichen Regierung gehört. Ein 
die Regierung bindender Beschluß, daß die Bevollmächtigten anzuweisen seien, einen dem Bundes- 
rathe vorliegenden Gesetzentwurf anzunehmen oder abzulehnen, würde rechtlich nicht gefaßt werden 
können. Der Bundesrath ist das verfassungsmäßige Organ, in welchem die Auffassung der ver- 
bündeten Regierungen zum Ausdruck zu kommen hat, wobei es allerdings nicht zweifelhaft sein 
kann, daß die Weisungen an die Bevollmächtigten als Regierungsakte sich darstellen, für welche 
die Minister nach Maßgabe der Gesetzgebung des Einzelstaates dem Landtag verantwortlich sind.“ 
Karlsr. Ztg. Nr. 337 v. 7. Dez. 1893. — Vgl. a. Verhdl. d. Ersten Kammer v. 1893/94. Stenogr. Ber. 
in Beil. H. S. 11, 25. 
2) V. U. § 6. 
3) Die V. U. gebraucht bald den einen, bald den anderen Ausdruck; im Eingang von Gesetzen 
wird regelmäßig die Bezeichnung „Stände“ gebraucht.
	        
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