Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

50 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. III. Kapitel. 828. 
mit dem der Staatsregierung, wo sie gesetzlich geboten, erzeugt den Staatswillen. Da 
nun zum Leben des Staates unbedingt nothwendig ist, daß derselbe seinen Willen bilde 
und kundgebe, so kann das Wesen der Aufgabe der Landstände nur im Zusammenwirken 
mit der Staatsregierung gefunden werden, nicht im Entgegentreten gegen dieselbe 0. Eben- 
sowenig können die Landstände rechtlich die Regierung zu einer bestimmten Handlungs- 
weise zwingen: das badische Verfassungssystem ist kein parlamentarisches, sondern ein kon- 
stitutionelles. 
Der Kreis der Thätigkeit und der Rechte der Landstände umfaßt: 
1. die Theilnahme an der Gesetzgebung:; 
2. die Einwirkung auf den Staatshaushalt, und zwar theils durch Festsetzung der 
Staatsausgaben und der Staatseinnahmen, insbesondere Bewilligung der Steuern, theils 
durch Kontrole über die Verwendung der Staatsgelder, theils durch Zustimmung zu ge- 
wissen Handlungen der Finanzverwaltung; 
3. das Recht der Vorstellung und Beschwerde an den Großherzog; 
4. das Recht der Ministeranklage. 
Was insbesondere die in Beziehung auf die Gesetzgebung und den Staatshaushalt 
den Landständen zustehenden Rechte betrifft, so entscheidet darüber, ob eine Verordnung 
oder Verfügung der großherzoglichen Regierung zu ihrer Giltigkeit der Mitwirkung der 
Landstände bedarf, der Inhalt dieser Verordnung oder Verfügung, nicht die äußere Form 
derselben. Die Rechte der Landstände werden hiernach insbesondere weder vermehrt noch 
vermindert dadurch, daß die Regierung die Verordnung oder Verfügung in der Form eines 
Staatsvertrags trifft oder der Regierung eines anderen Staates die Erlassung gewisser 
Verordnungen oder Verfügungen zugesagt hat ?. 
§ 29. II. Zusammensetzung der Landstände. A. Im Allgemeinen. „Die Landstände 
sind in zwei Kammern abgetheilt“): die Erste Kammer, theils aus eigenberechtigten, theils 
aus gewählten, theils aus vom Großherzog ernannten Mitgliedern, und die Zweite Kam- 
mer, ausschließlich aus gewählten Mitgliedern bestehend. Diese Abtheilung ist ihrem Grund- 
wesen nach nur eine geschäftliche; ungeachtet derselben bilden nur beide Kammern zusammen 
die Landstände") und entsteht nur durch die Uebereinstimmung der Beschlüsse beider ein 
Beschluß der Landstände ). Wo also zu einem Akte der Staatsgewalt, damit er als ver- 
fassungsmäßiger Ausdruck des Staatswillens erscheine, die Zustimmung der Landstände er- 
forderlich ist, muß ein zustimmender Beschluß jeder von beiden Kammern vorliegen ?. 
Unabhängig von den Beschlüssen der anderen Kammer können jedoch die Beschlüsse 
1) „Ich konnte nicht finden, daß ein feindlicher Gegensatz sei zwischen Fürstenrecht und Volks- 
recht. Ich wollte nicht trennen, was zusammengehört und sich wechselseitig ergänzt — Fürst und 
Volk, unauflöslich vereint unter dem gemeinsamen, schützenden Banner einer in Wort und That ge- 
heiligten Verfassung", sagt ebenso staatsrechtlich richtig, wie schön Großherzog Friedrich in der Thron- 
rede vom 30. August 1860, beim Schlusse der Ständeversammlung. Daher erscheint in der Stände- 
versammlung, so lange sie pflichtgemäß tagt und verhandelt, jede Opposition nicht als gegen den 
Staat und dessen Haupt gerichtet, sondern nur gegen die jeweilige Regierung. 
2) Ein Staatsvertrag bedarf hiernach nicht als solcher, sondern nur soweit der ständischen 
Zustimmung, als er Anordnungen trifft, die auch in anderer Form der ständischen Zustimmung be- 
durft haben würden. 
A. M. Stabel, in „Grundlagen für den Kommissionsbericht über die Konvention mit dem 
päpstlichen Stuhle". 
3) V. U. S 26. 
4) Daher kann der Großherzog nur beide Kammern gleichzeitig („den Landtag“") eröffnen, ver- 
lugen und schließen, V.U. §§ 42, 68, und ist der ständische Ausschuß beider Kammern gemeinsam. 
5) V. U. §§ 53—65, 70 a. 
6) Endgiltige Nichtzustimmung auch nur einer Kammer verhindert somit das Zustandekommen 
eines solchen Willensaktes.
	        
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