Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

60 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. III. Kapitel. 8 34. 
oder sie können, und zwar jede Kammer aus eigener Initiative, das von ihnen 
gewünschte Gesetz selbst vorschlagen). In beiden Fällen bleibt auch dann, wenn beide 
Kammern übereinstimmend sich ausgesprochen haben, die freie Entschließung des Staats- 
oberhauptes, ob den Ständen eine Gesetzesvorlage in dem gewünschten Sinne zu machen 
und — im zweiten Falle — ob dem von beiden Kammern übereinstimmend vorgeschlagenen 
Gesetze die landesherrliche Bestätigung zu ertheilen sei, ungeschmälert 2). Ist Seitens der 
großherzoglichen Staatsregierung einseitig eine Vorschrift erlassen worden, und glauben die 
Kammern, es enthalte diese Verordnung Bestimmungen, welche nur mit ihrer Zustimmung 
hätten erlassen werden können, so haben sie das Recht, sich deshalb im Wege der Be- 
schwerde an den Großherzog zu wenden 9). Findet die großherzogliche Regierung die 
Beschwerde begründet, so soll die betreffende Bestimmung sogleich außer Wirksamkeit gesetzt 
werden. Liegt der Fall so, daß eine absichtliche Verletzung der Verfassung durch die 
Minister behauptet werden will, so ist zu einer solchen Beschwerde nur die Zweite Kammer 
befugt?). 
Ueber die Erlassung sog. „provisorischer Gesetze“ s. u. 
8 34. B. Insbesondere Steuerbewilligung und sonstige Einwirkung auf den Staats- 
haushalt. 1. Ueber die Genehmigung der Staatsausgaben enthält die V. U. nur 
die eine Bestimmung 9), daß „mit dem Entwurf des Auflagegesetzes das Staatsbudget und 
eine detaillirte Uebersicht über die Verwendung der verwilligten Gelder von den früheren 
Etatsjahren“ übergeben wird, und zwar Behufs der „Bewilligung“. Aus dieser Be- 
stimmung, so dürftig sie ist, im Zusammenhang mit der weiteren über das in der Regel 
je für zwei Jahre zu gebende Auflagengesetz und über die Nachweisung über die Ver- 
wendung der verwilligten Mittel, ferner aus dem Begriffe des Staatsbudgets ergeben sich 
folgende Grundsätze ): 
1. Die großherzogliche Regierung ist verpflichtet, alle diejenigen Ausgaben, welche 
sie im Laufe einer Periode von regelmäßig und höchstens zwei Jahren aus Staatsmitteln 
zu machen gedenkt, (und ebenso alle zu diesem Zweck beabsichtigten Einnahmen s. u.) in 
einem Voranschlage — Staatsbudget — zum Voraus namhaft zu machen und zusammen- 
zustellen?). 
2. Dieses Budget, insbesondere die in demselben vorgesehenen Ausgaben, bedarf 
der landständischen Genehmigung. Es steht rechtlich in dem freien Willen der Landstände, 
diese Bewilligung, sei es bezüglich des Budgets im Ganzen, sei es bezüglich einzelner 
Ausgabe-Posten zu ertheilen 3) oder zu verweigern. Rechtlich unzulässig ist nur die Ver- 
weigerung der Bewilligung solcher Ausgabe-Posten, welche von einem bereits bestehenden 
Gesetze oder durch Privatrecht geboten sind . 
1) V. U. § 65 a. Die Ausübung dieses Rechtes der parlamentarischen Initiative eignet sich 
naturgemäß mehr für solche Gesetze, die ohne allzu umfangreich zu sein, einen gewissen prinzipiellen 
Standpunkt bezeichnen sollen, der erste Weg der Bitte an die großherzogliche Regierung mehr für solche, 
deren Firrbeitung eine gen—aue Kenntniß der thatsächlichen Verhältnisse und eine sorgfältige Vorbereitung 
voraussetzt. 
2) Auch die Form der Erlassung und Verkündung der Gesetze ist in beiden Fällen ganz die 
gleiche, wie wenn das Gesetz aus der alleinigen Initiative der großherzoglichen Regierung hervorgegangen 
wäre. Die * werden in allen Fällen nur vom Großherzog erlassen mit Zustimmung der Stände. 
3) V. U. § 67. Abf. 1. 4) V. U. § 67, Abf. 3. 5) V. U. §§ 55, 79. 
6) Näher ausgeführt sind diese Grundsätze, wie jene über den Staatshaushalt überhaupt in 
dem sog. Etatgesetz vom 22. Mai 1882 (s. u. bei der Darstellung des Finanzrechtes). 
7) Etat. Ges. Art. 1. 
8) Jede Pofition unterliegt der ständischen Beschlußfassung. Etat Ges. Art. 5. 
9) Die Frage ist zweifelhaft. Es wird zu erwägen sein: Darüber, ob eine Ausgabe aus 
Staatsmitteln gemacht werden soll, bedarf es einer Feststellung des Staatswillens. So lange und 
so weit diese Feststellung nicht vorhanden ist, ist die Frage des Gebotenseins einer Ausgabe — von
	        
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