Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

68 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. III. Kapitel. § 41. 
6. Die Kammern als solche können mit der großherzoglichen Staatsregierung oder 
deren Organen, was den schriftlichen Geschäftsverkehr betrifft, nur durch das großherzog- 
liche Staatsministerium in Berührung treten!); sie können keine Verfügungen treffen oder 
Bekanntmachungen irgend einer Art erlassen?), und zwar weder an Behörden noch an 
Private. Auch Deputationen an den Großherzog dürfen sie nur, jede besonders, nach 
eingeholter Erlaubniß desselben abordnen). . 
7. Die Kosten des Landtags werden aus der großherzoglichen Staatskasse bestritten"). 
8. Jede Kammer hat zur Besorgung ihres Registratur-, Rechnungs= und Kanzlei- 
wesens einen eigenen ständigen Beamten, den Archivar, welcher von der betreffenden 
Kammer gewählt, vom Großherzog mit Beamtenrechten angestellt, aus der Staatskasse be- 
soldet wird und während der Dauer des Landtags unter der dienstpolizeilichen Aufsicht 
des Präsidenten der Kammer, sonst unter der des Ministerinms des Innern steht#). 
Wahrheitsgetreue Berichte über Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen beider 
Kammern bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei). 
§ 41. V. Rechtliche Stellung der einzelnen Kammermitglieder. 1. Im Allgemeinen 
sind die Rechte und Pflichten aller Kammermitglieder, ohne Rücksicht auf die Art ihrer 
Berufung gleich. Jeder ist Vertreter des ganzen Volkes, nicht eines Standes oder eines 
gewissen Theiles der Bevölkerung. Jeder hat das gleiche Recht und die gleiche Verpflich- 
tung der Theilnahme an den Berathungen und Beschlußfassungen der Kammer, welcher er 
angehört. Die Stimme des Einen gilt rechtlich nicht mehr und nicht weniger, als die des 
Anderen; jeder kann nur in Person und hat nur nach reiner Ueberzeugung abzustimmen. 
2. Insbesondere 
a) im Verhältniß zu denjenigen, welche das Mitglied entsendet haben, also den 
Wählern oder bei denjenigen Mitgliedern der Ersten Kammer, welche durch den Großherzog 
ernannt sind, der großherzoglichen Regierung gegenüber ist — oder war bei der Erwäh- 
lung oder Berufung — das betreffende Mitglied zwar thatsächlich der Mann ihres Ver- 
trauens, aber in keinerlei rechtlicher Beziehung ihr Beauftragter. Er darf von ihnen 
weder Instruktionen annehmen, noch hätte ihre Erklärung, daß er ihr Vertrauen nicht 
mehr besitze, oder gar ihre Aufforderung, sein Amt als Abgeordneter niederzulegen, irgend 
welche rechtliche Bedeutung?). 
b) Im Verhältniß zur Regierung ist die Unabhängigkeit der Abgeordneten durch 
die Bestimmungen gesichert, daß 
a) kein Kammermitglied außerhalb der Versammlung, zu welcher das Mitglied 
gehört, wegen seiner Abstimmungen oder wegen der in Ausübung seines Berufes gethanen 
Aeußerung zur Verantwortung gezogen werden darf?); 
8) kein Ständemitglied „während der Dauer der Versammlung“, ohne ausdrückliche 
über der Vorsitzende der Kammer ausschließlich die Verhandlungen zu leiten. Es müssen deshalb 
auch die Vertreter der Regierung von dem Vorfitzenden sich z. B. das Wort ertheilen lassen. 
1) V. U. § 75. Dies hindert nicht, daß zur Abkürzung des Verkehrs die Präßidenten der 
Kammern und selbst die Vorstände der Kommissionen mit den Präsidenten der Ministerien oder den 
besonders ernannten Regierungskommissären zu dem Zwecke sich ins Benehmen setzen, um über die 
zur Berathung vorliegenden Gegenstände Aufklärung zu erlangen. Vgl. Gesch. O. d. Erst. K. 85 80 ff. 
Zw. K. 88§ 90 ff. 
2) V. U. § 75. 
3) Ebendas. Gesch.O. Erst. K. § 64. Zw. K. 8 74. 
4) Sie bilden einen Theil des Budgets des großherzoglichen Staatsministeriums. — Gesch.O. 
d. Erst. K. §§ 72, 74, 75; Zw. K. §§ 82, 83, 84, 85. 
5) Ebendas. — Beamt. Ges. § 129. 
6) V. U. 8 48a. 
7) BV.u. g8 48, 69. 
8) R. St. G. B. 5 11; V. U. S 48 a (Art. 2 d. Ges. v. 21. Okt. 1867, Reg. Bl. Nr. XVII, S. 423).
	        
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