8 46. Das Staatsministerium und die Minister. 77
Der Organismus der Staatsbehörden erstreckt sich räumlich über das ganze Staats-
gebiet, sachlich über alle Zweige der Staatsthätigkeit.
Diesen Organismus im Allgemeinen wie im Einzelnen zu ordnen, also die erforder-
lichen Behörden einzurichten und die Träger derselben zu ernennen, ist Recht und Pflicht
des Großherzogs, zu dessen Ausübung er der Zustimmung der Stände nicht bedarf .
Dadurch ist nicht ausgeschlossen, daß im einzelnen Falle eine Behördenorganisation
in der Form des Gesetzes oder einzelne organisatorische, insbesondere Zuständigkeitsbestim-
mungen durch ein sachliches Gesetz getroffen werden.
Wo dies geschehen, erfordert die Aenderung solcher Bestimmungen abermals die
Form des Gesetzes.
Die gleichen Grundsätze gelten auch für diejenigen organisatorischen Verfügungen
auf den Gebieten reichsgesetzlicher Thätigkeit, welche das Reichsgesetz der landesgesetzlichen
Regelung überlassen hat.
Eine Schranke für die Ausübung des Organisationsrechtes der Krone ist aber durch
die Bestimmungen über den Staatshaushalt gezogen. Sofern und soweit für die Durch-
führung der Behördenorganisation staatliche Geldmittel erforderlich sind, kann dieselbe erst
von dem Zeitpunkte an erfolgen, von dem an das Staatshaushaltsgesetz hierfür diese Mittel
zur Verfügung gestellt hat. Abweichungen von diesem Grundsatze, im Falle der Unver-
schieblichkeit, unterliegen den Bestimmungen über Etatüberschreitungen und Administrativ-
kredite 2).
Insbesondere können Beamte, deren Diensteinkommen, Ruhe-, Unterstützungs= oder
Versorgungsgehalt ganz oder theilweise der Staatskasse zur Last fallen soll, etatmäßig nur
insoweit angestellt werden, als die betreffenden Amtsstellen nach Art und Zahl in der Ge-
haltsordnung und im Staatsvoranschlag vorgesehen sind 5).
Organisatorische Bestimmungen werden in wichtigen Fällen in der Form landes-
herrlicher Verordnung, in minder wichtigen mit landesherrlicher (Staatsministerial-)
Ermächtigung und mit ausdrücklicher Erwähnung derselben durch die Ministerien erlassen.
In der badischen Behördenorganisation ist jetzt der Grundsatz der Gliederung nach
den Gegenständen der Thätigkeit nahezu vollständig durchgeführt; im Uebrigen ist sowohl
das Kollegialsystem als dasjenige der Einzelbeamtung zum Ausdruck gekommen; das erste
— mit Ausnahme der unteren Instanz für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten — auf dem
Gebiete der Rechtspflege durchweg; das System der Einzelbeamtung auf dem Gebiete der
Verwaltung wenigstens vorzugsweise. Einzelne Verwaltungsbehörden sind zwar äußerlich
kollegialisch organisirt, beschließen aber in Wirklichkeit nur ausnahmsweise in bestimmten
Fällen nach den für Kollegien geltenden Grundsätzen.
§ 45. II. Das Staatsministerium und die Minister. „Verordnungen und Ver-
fügungen des Großherzogs, welche sich auf die Regierung und Verwaltung des Landes
beziehen, sind in der Urschrift von den zustimmenden Mitgliedern der obersten Staatsbehörde
zu unterzeichnen und gelten nur als vollziehbar, wenn die Ausfertigung gegengezeichnet
ist“ 4). Durch diese Zustimmung und Gegenzeichnung übernehmen die zustimmenden und gegen-
zeichnenden Minister oder sonstigen Mitglieder der obersten Staatsbehörde sowohl dem
Großherzog, als der Volksvertretung, als den betheiligten Einzelpersonen gegenüber die
Verantwortlichkeit für die betreffende Regierungshandlung 7). In diesen zwar erst seit 1868
ausdrücklich ausgesprochenen, aber schon vorher thatsächlich gehandhabten Grundsätzen der
badischen Verfassung ist sowohl das Vorhandensein einer obersten Staatsbehörde, bestehend
1) Vgl. V. U. 8 66. 2) Etat Ges. Art. 11, 12, Ziff. 3.
3) Etat Ges. Art. 14. 4) V. U. § 67g# (Ges. v. 20. Febr. 1868).
5) V. U. §§ 67, 67 a (angef. Ges. v. 20. Febr. 1868).