Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

78 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. IV. Kapitel. 8 45. 
aus Ministern oder anderen für die politischen Handlungen des Staatsoberhauptes ver- 
antwortlichen Mitgliedern, als die Sonderstellung der Mitglieder dieser Behörde im Orga- 
nismus der Staatsämter, als eine verfassungsmäßige Nothwendigkeit anerkannt. Die Ein- 
richtung einer obersten einheitlichen Leitung der Staatsgeschäfte durch wenige, für diese 
Leitung damals freilich nur dem Fürsten verantwortliche Persönlichkeiten bestand in Baden 
schon vor der Einführung der Verfassung wenn cuch in etwas anderer Form und mit 
anderer Abgrenzung der Thätigkeitskreise als jetzt. 
Der derzeitige Rechtsstand ist folgender 1 
1. An der Spitze des gesammten Organismus der Staatsregierung — die Rech- 
nungskontrole ausgenommen, von welcher später die Rede sein wird — als diejenige Be- 
hörde, durch welche der Großherzog unmittelbar die Regierungshandlung vornimmt, steht 
das Staatsministerium. Es ist dies eine ständige Behörde, mit dem Sitze in Karlsruhe, 
deren ordentliche Mitglieder die Vorstände (Minister oder Präsidenten) der einzelnen Mini- 
sterien und etwa hierzu weiter ernannte Personen sind 2). Den Vorsitz im Staatsministerium 
führt der Großherzog, in seiner Abwesenheit das von ihm zum Präsidenten des Staats- 
ministeriums ernannte, in dessen Abwesenheit oder Ermangelung das dienstälteste Mitglied. 
Der Präsident des Staatsministeriums ist ermächtigt, zur Theilnahme an den Be- 
rathungen über Rekurse. Entwürfe von Gesetzen oder Verordnungen und über sonstige 
wichtigere Sachen die vorsitzenden Räthe und Abtheilungsvorstände der Ministerien zu den 
Sitzungen des Staatsministeriums zu berufen. Außerdem können in dazu geeigneten Fällen 
die Vorstände der Centralmittelstellen und der Oberstaatsanwalt in Angelegenheiten ihres 
Verwaltungskreises zu den Berathungen des Staatsministeriums beigezogen werden 5). 
Diese zu den Berathungen des Staatsministeriums nur in außerordentlicher Weise 
zugezogenen Beamten führen übrigens nur berathende Stimme und erscheinen nach Außen 
nicht als für die gefaßte Entschließung politisch verantwortlich. 
Die rechtliche Stellung des Staatsministeriums und der Mitglieder desselben ist 
eine doppelte. In solchen Angelegenheiten, in welchen es sich darum handelt, daß der 
Inhaber der Staatsgewalt über Gegenstände allgemeiner staatlicher Natur einen Entschluß 
fasse — sei es aus freier Initiative, sei es auf Vorschläge der Kammern oder eines der 
Ministerien —, bilden die Mitglieder des Staatsministeriums den verantwortlichen Rath 
der Krone. Eine eigentlich kollegialische Geschäftsbehandlung findet hier nur der Form, 
nicht der Sache nach statt: es entscheidet hier keineswegs unbedingt die Stimmenmehrheit, 
weder in dem Sinne, daß der Beschluß der Mehrheit zur Ausführung gebracht, noch daß 
das etwa nicht zustimmende Mitglied sich der Mehrheit unterordnen müßte. Das Erstere 
wäre mit der Würde des Staatsoberhauptes, das Andere mit dem Grundsatz der Minister- 
verantwortlichkeit nicht vereinbar. Es steht vielmehr einerseits dem Großherzog anheim, 
welche Meinung er zur Durchführung gebracht wissen will, wenn nur für die desfallsige 
Entschließung ein Mitglied des Staatsministeriums die Verantwortlichkeit übernimmt. 
Anderseits ist es Sache derjenigen Mitglieder des Staatsministeriums, welche anderer Mei- 
nung waren, die größere oder geringere Bedeutung der zu Tage getretenen Meinungs- 
1) Die Geschichte der badischen Behörden-Organisationen ist eingehend dargestellt in Weizel, 
das badische Gesetz vom 5. Okt. 1863 über die Organisation der innern Verwaltung. S. ferner v. 
Jagemann, in „Das Großherzogthum Baden“, S. 590 ff. 
2) Ldh. Verord. v. 15. Juli 1817, Reg. Bl. Nr. XVIII, S. 65. (Die dort festgesetzte Einrichtung, 
wornach der dem großherzoglichen Geheimen Kabinet vorstehende Staatssekretär Mitglied des Staats- 
ministeriums sein sollte, ist, nachdem für das Geheime Kabinet längst kein Staatssekretär mehr er- 
nannt wird, durch anderweite Organisation dieser Behörde unwirksam geworden. Ldh. Verord. v. 
6. Aug. 1817, Reg. Bl. Nr. XX, S. 73, u. v. 15. April 1819, Reg. Bl. Nr. XIII, S. 71.) 
3) Loh Verord v. 20. April 1881, G. u. V Bl. Nr. X, S. 127.
	        
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