Full text: Sächsische Volkskunde.

1. Das süchsische Land. 
Von S. Ruge. 
Wo es sich um Volkskunde handelt, um Erforschung oder Schilderung 
eines Volkes oder Volksstammes, da wird man wohl zuerst nach dem Namen 
des Volkes und seinem Wohnsitz fragen. Daß der Wohnsitz nach dem Be- 
sitzer genannt wird, ist ein ganz natürlicher, uralter Brauch. Und wenn der 
Besitzer wechselt, ändert sich oft auch der Name des Grundes und Bodens. 
Das ist aber nicht immer der Fall. Beispiele dafür bieten uns die bunten 
Ereignisse einer Jahrhunderte andauernden Völkerverschiebung, die unter dem 
allgemeinen Namen der Völkerwanderung bekannt ist. Wenn diese Bewegung 
in den meisten Lehrbüchern der Geschichte zwischen die Jahre 375 und 
568 n. Ch. eingeschränkt wird, so bezieht sich das nur auf die Beruhigung 
der germanischen Stämme um 568, nicht aber auf das noch lange Zeit 
danach erfolgte Eindringen asiatischer Völker auf den Boden Osteuropas. 
Lassen wir diese fremden Eindringlinge hier beiseite, heften wir unsern 
Blick nur auf die Bewegung der germanischen Stämme und suchen wir ihre 
Spuren in noch gangbaren Ländernamen, so treffen wir auf Namen, wie 
Frankreich, Burgund, Lombardei, also auf Gebiete, die von den deutschen 
Stämmen der Franken, Burgunder, Langobarden besetzt wurden, die aber 
schon längst nicht mehr, wenn überhaupt, zum Deutschen Reiche gehören, und 
in denen der Laut deutscher Zunge längst verklungen ist. 
Anders liegen die Verhältnisse in Sachsen. Die älteste deutsche Ge- 
schichte kennt schon den Namen der Sachsen neben dem der Franken; aber 
die Sachsen sind nicht aus ihrem Stammlande ausgewandert, sondern sind 
der Hauptmasse nach in ihrer Heimat seßhaft geblieben. Sie haben also 
nicht wie die Franken, Langobarden u. s. w. ihren Namen in deutschfremden 
Gebieten hinterlassen und doch liegt der Landesname Sachsen jetzt anderswo, 
als wo das altgermanische Volk gehauset hat. Der Volksname Sachsen ist 
in seiner Urheimat fast verschollen und der Landes= oder Staatsname Sachsen 
hat sich von den nördlichen Gestaden Deutschlands bis auf die Stufen des 
mitteldeutschen Berglands verschoben. 
Wie das gekommen ist, bedarf einer eingehenden Darlegung. 
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