Full text: Sächsische Volkskunde.

S. Ruge: Das sächsische Land. 13 
sächsischen Schweiz bilden, während im Westen des Erzgebirges paläozoische 
Schiefer sich in dem Winkel zwischen Erzgebirge und Thüringer Wald ab- 
lagerten, die dem Vogtlande seinen vom Erzgebirge abweichenden Charakter 
verleihen. 
Diese vier Bestandteile: Vogtland, Erzgebirge, sächsische Schweiz und 
Lausitzer Gebirge setzen mit ihrem Vorlande den Boden Sachsens zusammen 
und verflachen langsam in die norddeutsche Ebene. Alle diese Teile lagern 
am nordwestlichen Rande der böhmischen Scholle und haben alle in früheren 
Zeiten einen Namen gehabt: die böhmischen Wälder. Denn von den 
Tagen Marbods, der den Schwerpunkt seiner Macht nach Böhmen verlegte, 
ist durch römische Schriftsteller die Ansicht verbreitet, daß die Markomannen 
sich in einem rings von Wald umgebenen Lande niedergelassen hätten. Nur 
durch schwer zugängliche Wälder konnte man nach Böhmen eindringen, wie 
das auch noch aus den Kriegszügen der deutschen Kaiser im frühen Mittel- 
alter ersichtlich ist. Der Waldgürtel, ein ausgezeichneter Schutz bei von 
außen drohender Gefahr, war unzertrennlich von dem Begriffe Böhmens, 
so daß schon auf den ältesten Karten, die ein Bild von Deutschland zu geben 
versuchen, der böhmische Gebirgsring mit der herausfließenden Elbe gezeichnet 
ist, aber sonst keine andern Gebirge. Und diese Karten aus der ersten Hälfte 
des 14. Jahrhunderts gehören zur Gruppe der südeuropäischen Seekarten. 
Und als vollends die wissenschaftliche Kartographie am Ende des 
15. Jahrhunderts sich entwickelte, finden wir den mit Bäumen besetzten Ge- 
birgswall wieder auf der ersten vom Kardinal Nicolaus von Kues (Cusanus) 
entworfenen Karte von Deutschland, die 1492 in Eichstädt erschien. Und von 
da an ist Böhmen auf allen Karten sofort an seinem aus Bäumen gebildeten 
Ringe zu erkennen. 
So hießen also außer dem Böhmer Walde auch das Erzgebirge, die 
sächsische Schweiz und die Lausitzer Gebirge böhmische Wälder, und daß 
diese Benennung nicht von Gelehrten ausgegangen, sondern echt volkstümlich 
war, beweist unter andern eine Stelle in dem bekannten Volksbuch von Till 
Eulenspiegel, das noch dem späteren Mittelalter angehört. Da wird von 
diesem Landstreicher erzählt (Reclam, Historie 60): „Bald hub sich Eulen- 
spiegel aus dem Lande Thüringen gen Dresden vor dem Böhmer 
Walde an der Elbe.“ Und wenn nun vollends der Kurfürst August auf 
seiner Reise vom Kurfürstentage zu Regensburg durch Böhmen nach Sachsen 
im Jahre 1575 auf seiner Reisekarte zwischen Joachimsthal und Annaberg 
den „Böhmer Wald“ einträgt, so darf man wohl nicht zweifeln, daß dieser 
Name allgemein, bei hoch und niedrig, in Gebrauch war. Zwar taucht 
speziell für das Erzgebirge schon im 16. Jahrhundert die Bezeichnung „die 
Erzgebirge“ auf, aber der Ausdruck hatte nur eine bergmännische, administra- 
tive Bedeutung und galt nicht orographisch. Man verstand darunter nämlich
	        
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