Full text: Sächsische Volkskunde.

Robert Wuttke: Verbrechen und Selbstmord. 231 
revidierte sächsische Strafgesetzbuch vom 1. Oktober 1868, das von dem 
Reichsstrafgesetzbuch vom 1. Januar 1871 abgelöst wurde, schließlich die 
Reichsstrafgesetzuovelle vom 26. Februar 1876. Wir können folglich die in 
diesem Zeitraum begangenen Verbrechen und Vergehen nicht mit einander ver- 
gleichen, und sind gezwungen, uns auf die letzten Jahrzehnte zu beschränken. 
K. Böhmert"“) hat den Versuch gemacht, die Schwierigkeiten, die die 
wechselnde Gesetzgebung der Kriminalstatistik bereitet, zu überwinden; leider 
schließt seine Arbeit mit dem Anfang der 80 er Jahre ab. Er unterscheidet 
zwei Hochfluten der Kriminalität; die erste steigt Ende der 60 er Jahre in 
Preußen und in Sachsen und erreicht ihren Höhepunkt im Jahre 1868, um 
von da ab zurückzugehen; gegen Ende der 70er Jahre beginnt dann in 
beiden Staaten die zweite Hochflut, sie ist andauernder und erreicht ihren 
Höchststand in Sachsen im Jahre 1883. 
Die Reichsstatistik giebt für die letzten Jahre folgenden Stand der 
Kriminalität an: 
Auf 100000 strafmündige"“) Personen der Civilbevölkerung kamen 
Verurteilte wegen Verbrechen und Vergehen gegen die Reichsgesetze ohne 
Verletzung der Wehrpflicht: 
Preußen Deutsches Reich Süddeutschland Sachsen 
  
1883/1887: 1 023 1001 1009 928 
1888/1892: 1069 1044 1042 883 
1893: 1176 1155 1171 922 
1894: 1227 1194 1 174 930 
1895: 1264 1201 1153 876 
seit 1883/87 gestiegen um 241 200 144 gefallen um 52 
Während Böhmert eine Übereinstimmung in der jeweiligen Schwankung 
der Kriminalität zwischen Sachsen und Preußen beobachten konnte, sehen 
wir, wie obige Zahlen überzeugend beweisen, jetzt zwei verschiedene Bewe- 
gungen, nämlich im Reich, im Norden wie im Süden, ein gewaltiges 
Steigen, dagegen in Sachsen ein Fallen der Kriminalität. 
Es wäre sicherlich verfehlt, allein auf Grund dieser Zahlen weitgehende 
Schlüsse über die Sittlichkeit der deutschen Volksstämme zu ziehen. Die 
Statistik unterscheidet nicht schwere und leichte Verbrechen; sie rechnet unter- 
schiedslos alle zusammen. Wollen wir deshalb das richtige Verständnis für 
die Kriminalität des sächsischen Volkes gewinnen, so müssen wir gesondert 
die einzelnen Verbrechensarten untersuchen. Weit über den Rahmen unserer 
*) Böhmert, Karl, Die sächsische Kriminalstatistik mit besonderer Rücksicht auf die 
Jahre 1882 —1887 in der Zeitschrift des kgl. sächsischen statistischen Bureaus. Jahrg. XXXV. 
1889. Leider hat der hochbegabte Verfasser diese Studie nicht fortsetzen können, ein 
früher Tod hat seine emsige Hand gelähmt. 
*#) Strafmündig d. h. 12 und mehr Jahre alte Personen.
	        
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