Full text: Sächsische Volkskunde.

J. V. Deichmüller: Sachsens vorgeschichtliche Zeit. 27 
als die ältere Steinzeit, die paläolithische Zeit bezeichnet wird, noch 
unbewohnbar. Erst als infolge des Klimawechsels die Gletschermassen ab- 
schmolzen und sich nach Norden zurückzogen, wurden größere Landflächen 
eisfrei, die sich allmählich mit einer Pflanzendecke überzogen. Nun waren 
auch die Vorbedingungen für die Existenz einer höheren Tierwelt geschaffen, 
mit ihr zog der Mensch in unsere Gegend ein. Er benutzte auf seiner 
Wanderung die Wege, welche ihm die Natur als die geeignetsten vorzeichnete, 
die Flußthäler, längs deren er ohne große Schwierigkeiten in die ihm noch 
unbekannten Landstriche eindringen konnte. So führen in Sachsen seine 
Spuren den Elbstrom hinab bis Riesa, nach dem Nordwesten des Landes 
wanderte er von Süddeutschland her durch Thüringen längs der Saale und 
Elster ein, auch in der Lausitz begegnet man vereinzelten Steinzeitfunden. 
Seit dem ersten Auftreten des Menschen in Süddeutschland bis zu seiner 
Einwanderung in unsere Gegend muß ein langer Zeitraum verflossen sein. 
Große Veränderungen sind inzwischen in der Tierwelt vor sich gegangen: die 
großen Dickhäuter und Höhlenraubtiere der Diluvialzeit sind verschwunden, 
an ihre Stelle ist die Fauna getreten, welche noch heute Europa bewohnt. 
Auch der Mensch hat sich verändert; seine Hinterlassenschaft, welche in den 
ältesten Wohnstätten unseres Landes erhalten geblieben ist, verrät eine fort- 
geschrittene Entwickelung. In unsere Heimat ist der Mensch erst in der 
jetzigen geologischen Periode, dem Alluvium, eingezogen, seiner Kulturstufe nach 
gehörte er bereits der jüngeren Steinzeit, der neolithischen Zeit an. 
Die entwickeltere Kultur des Menschen zeigt sich zunächst an den von 
ihm benutzten Gerätschaften, welche im wesentlichen zwar immer noch aus 
Stein hergestellt sind, in dessen Bearbeitung aber ein hoher Grad der Voll- 
kommenheit erreicht worden ist. Während der diluviale Mensch seine Geräte 
lediglich durch rohes Behauen des Steins formte, hat der neolithische Mensch 
gelernt, seinen Werkzeugen durch Schleifen und Polieren wirksamere, zum 
Teil kunstvolle Formen zu geben und sie zum Zwecke der besseren Befestigung 
zu durchbohren. 
Die Formen der Steingeräte sind ziemlich mannigfaltige. Als die 
einfachsten, noch an die der älteren Steinzeit erinnernden sind Flachbeile zu 
bezeichnen, welche aus zugeschliffenen zungenförmigen Geschieben hergestellt 
sind und in einem gespaltenen Holzstiele durch Umschnüren mit Sehnen oder 
Fellstreifen befestigt wurden (Fig. 1). Derartige, oft nur wenige Centimeter 
große Flachbeilchen findet man häufig in den Wohnstätten der neolithischen 
Zeit. Seltener sind längere und schmälere meiselartige Instrumente mit 
rundem Querschnitt (Fig. 2). Ein größerer Formenreichtum herrscht unter 
den durchbohrten Steingeräten. Am häufigsten sind hammerartige Axte 
(Fig. 3), welche oft durch Anschleifen von Längsfacetten geschmackvoll ver- 
ziert sind (Fig. 4), ferner plumpe, dicke Beile von dreieckiger Gestalt (Fig. 5),
	        
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