Full text: Sächsische Volkskunde.

400 Cornelius Gurlitt: Die Dorfkirche. 
im Monumentalbau überwundenen Gotik angehören. Stilreinheit an Dorf- 
kirchen ist eine erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausgekommene 
Forderung, sie ist unhistorisch und daher stillos in jeder Beziehung. 
Die vom Steinmetz gelieferten Arbeiten, ebenso wie jene, die der Kunst- 
tischler schuf, entziehen sich hier der Besprechung, denn sie sind in den 
Städten bestellt und stehen selten in engerem Zusammenhange mit dem 
übrigen Kirchenbau. 
Steinmetz und Tischler wetteifern in der Herstellung von Kanzeln. Die 
merkwürdigsten dieser Art, die ich kenne, sind die zu St. Martin bei Meißen 
und Wasewitz bei Wurzen, (Fig. 165) die, wie es scheint, auf alten Seiten- 
altären erbaut sind, Werke des Anfangs und der Mitte des 16. Jahrhunderts. 
Später wird die städtische Form der Kanzeln allgemein. 
Seit dem 15. Jahrhundert verdrängen neue Taufsteine aus Sandstein 
die alten aus schweren Granitfindlingen, auch im Niederlande. An ihre 
Stelle führt das endende 17. Jahrhundert Taufgestelle aus Holz ein, die 
häufig in Verbindung stehen mit dem Taufengel. Dieser ist aus Holz ge- 
schnitzt, lebensgroß und wird über Rollen von der Decke herabgelassen. Er 
hält die Taufschüssel in der Hand. Diese Taufengel trifft man noch häufig 
auf den Kirchböden, doch ist der anmutige symbolische Gebrauch, die Taufe 
als eine vom Himmel niederschwebende Gabe darzustellen, jetzt wohl überall 
aufgegeben worden. 
Unter dem alten Gerät findet man ferner noch vielfach Vortragkreuze 
und die oft reizvoll ausgestatteten Klingelbeutel, die ja nun auch zumeist 
außer Gebrauch gesetzt sind. 
Die Altäre ahmen noch lange die gotische Form nach, namentlich wenn 
die Altartafeln in Stein gebildet werden. Erst das 17. Jahrhundert führt 
neue Formen, reich geschnitzte architektonische Rahmen um ein Altarbild ein. 
Bezeichnend für diese Zeit ist die Verbindung von Altar und Kanzel, 
so daß an Stelle des Altarbildes die Kanzel über dem Altare erscheint. 
Nicht selten wird thatsächlich das Altarbild entfernt, um der Kanzel Raum 
zu geben. Wann und wo diese Form zuerst auftritt, ist nicht völlig klar 
erwiesen. Mit dem Beginn des 18. Jahrhunderts wurde sie allgemein und 
erhielt sich bis in die Mitte unseres Jahrhunderts. Sie hängt eng zusammen 
mit der allgemeinen Umgestaltung des protestantischen Kirchenbaues und der 
Vertiefung der Predigt, wie sie die pietistische Bewegung mit sich brachte. 
Das Altargerät behält sehr lange gotische Formen. Wie von dem schon 
besprochenen Kelch gilt dies von den kräftig profilierten Messingleuchtern. 
Das 17. Jahrhundert führte Zinnvasen und Zinnleuchter, oft in Kandelaber- 
form, ein; das endende 18. Jahrhundert brachte an ihre Stellen Porzellan- 
vasen, in die Sträuße künstlicher Blumen gestellt wurden. Auf das Kruzifix, 
das zumeist in Holz geschnitzt und naturalistisch bemalt, später vergoldet
	        
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