II. Buch. Staats- und Verwaltungerecht. 4
war allerdings Sache der Reichsgesetzgebung, die — insbesondere durch Zollschutz für
die landwirtschaftliche Produktion und durch hierauf begründete Handelsverträge —
diesem wichtigen Problem in gewissenhafter Weise ihre Arbeit widmete. Die Einzel-
fragen der landwirtschaftlichen Verwaltung dagegen verblieben dem Landesrecht. Die
preußische Gesetzgebung hierüber läßt sich in folgender Weise gliedern.
a) Allgemeinen Interessen der Landwirtschaft dient die 1894/95 im Anschluß an
bisherige Einrichtungen gleichheitlich durchgeführte Organisation der Landwirtschafts-
kammern als Standes- und Interessenvertretungen der Landwirtschaft in den einzelnen
Provinzen.
b) In Weiterführung des seit Anfang des 19. Jahrhunderts durch die Stein-Harden-
bergsche Gesetzgebung begonnenen Werkes der richtigen Gestaltung des Grundbesitzes
ergingen Gesetze über Regulierung der gutsherrlichbäuerlichen Verhältnisse, Ablösung
von Grundlasten, Auseinandersetzungen, Teilung und Zusammenlegung von Grund-
stücken; mehrfach erfolgte durch Staatsgesetze insbesondere auch die Regelung der zwangs-
weisen Umlegung von unbebauten Grundstücken in großen Städten, „aus Gründen des
öffentlichen Wohles zur Erschließung von Baugelände sowie zur Herbeiführung einer
zweckmäßigen Gestaltung von Baugrundstücken“, so zuerst in Farnkfurt (1902/07); die
für Frankfurt (lex Adickes) erlassenen Gesetze wurden weiterhin auch auf andere Städte
übertragen, so auf Posen, Cöln, Wiesbaden; die Umlegung erfolgt durch besondere
vom Regierungspräsidenten zu bestellende Umlegungskommissionen mit Vorbehalt des
Rechtsweges bezüglich der zu leistenden Entschädigungen.
Jßc) In großem Maßstabe beschäftigte sich die Gesetzgebung mit der „inneren
Kolonisation" durch Schaffung von Kleingrundbesitz.
Für die polnischen Landesteile erfolgte diese großzügige Bauernansiedelung zu-
gleich im Interesse der Ausbreitung des Deutschtums, wie dies oben bereits besprochen
wurde. Aber auch in den übrigen Landesteilen ergingen Gesetze zur Förderung dieser
inneren Kolonisation, so die Gesetze über Rentengüter 1890/91 und Zwischenkredit bei
Rentengutsgründungen (1910), über Höferollen, über das Höchstmaß der Berschuldung
des Kleingrundbesitzes (1906), allgemein, ausgenommen die Stadt Berlin, eingeführt
vom 1. Juli 1913.
ch Der Pflege der Jagd diente das besondere Wildschongesetz von 1905, das
1907 eingefügt wurde in die vollständige Regelung der nach vielen Richtungen schwie-
rigen und streitigen Materie des gesamten Zagdrechtes durch die Zagdordnung, die
in der ganzen Monarchie, ausgenommen Hannover, Helgoland und Hohenzollern, gilt.
0) Auf dem Gebiete der Fischerei erging 1911 ein besonderes Gesetz, das die Er-
werbung von Fischereiberechtigungen für den Staat vorsah in Gewässern, die durch
Wasserbauten des Staates betroffen werden.
fl) Auf das Wegewesen bezieht sich das Gesetz, das die Reinhaltung öffentlicher
Wege (1912) als Gemeindepflicht erklärte; außerdem wurden für einzelne Provinzen
vollständige Wegeordnungen (Ostpreußen 1911, Westpreußen 1905, Sachsen 1891,
Posen 1907) erlassen und durch Sondergesetz die Grundsätze über Vorausleistungen
für öffentliche Wege 1902 festgestellt zur Ausgleichung der durch besondere Verhällnisse
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