Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
102 Finanzen und Steuern. II. Buch. 
  
Maschinen- und Verkehrswesen, verdanken, hat auch der kriegerischen Verteidigungs-- 
und Zerstörungemittel sich bemächtigt. Welche Umwälzungen haben sich in kurzer Zeit 
in der Bewaffnung der Infanterie, in der Artillerie, im Festungsbau, in den Typen 
und der Armierung der Kriegsschiffe vollzogen! Wie viele Kriegsmittel sind zu den alten 
binzugekommen! Auch in dieser Beziehung treibt ein Staat den anderen, und die Aus- 
gaben wachsen um so rascher. 
In viel höherem Maße als beim Machtzweck ist Umfang und Steigerung der Aus- 
gaben für die innere geistige, wirtschaftliche und rechtliche Entwicklung 
in das Belieben der gesetzgebenden Gewalten gelegt. Ob diese oder jene Ausgabe ge- 
steigert, ob zu den alten noch neue übernommen werden sollen, ist allein von der Rück- 
sicht auf das eigene Bedürfnis und die Größe der verfügbaren Mittel bedingt. Zudem 
ist der Betätigung des Reichee hier eine gewisse Schranke gezogen durch die Bestimmungen 
der Reichsverfassung und den eigenen Wirkungskreis der GEliedstaaten. Aber auch die 
Ausgaben für friedliche Verwaltungszwecke sind in steter Zunahme begriffen. Ja sie 
sind relatio rascher gewachsen, als die Militärausgaben. Es haben sich im Laufe der 
Zeit immer mehr Aufgaben eingestellt, die in zweckmäßiger Weise nur von dem größeren 
Ganzen des Reiches erfüllt werden konnten. Die alten A#lusgaben sind bedeutend ge- 
wachsen, und nicht wenige neue, an die bei der Gründung des Reiches nicht gedacht 
werden konnte, haben sich eingestellt. 
Werfen wir nach dieser Vorbemerkung einen Blick auf die Ziffern des Reichsbedarfs 
und verfolgen wir kurz seine Entwicklung seit dem Jahre 1888. 
Die fortdauernden Ausgaben betrugen nach Ausscheidung 
, der Überweisungen an die Bundesstaaten, die nur durch- 
laufende Posten sind, und ohne den Betriebsaufwand für Eisenbahnen, Posten und 
Telegraphen und die Reichsdruckerei im Jahre 1888: 506,8, 1912: 1501,9 Mill. M., 
sind also um das Oreifache in die Höhe gegangen; die jährliche Zuwachsrate be- 
trägt in dieser Zeit rund 41,5 Millionen. Von diesen Ausgaben entfielen auf das Heer, 
mit Einschluß Bayerns, 1888: 378,1, auf die Marine 38,9 Mill. M., während in dem 
Voranschlag von 1912 für das erstere 785,4, für die letztere 181,1 Mill. M. vorgesehen 
sind. Die gesamte Landesverteidigung forderte an fortdauernden Ausgaben 1888: 417,0, 
1912: 966,5 Mill. M. In Verhältniszahlen sind dies 1888: 82,5, 1912: 64% der 
Ausgaben. Obwohl sich also die Heeres- und Flottenausgaben in den 25 Jahren mehr als 
verdoppelt haben, hat ihr prozentualer Anteil um 18% abgenommen. Die übrigen 
dauernden Ausgaben sind also relativ stärker gestiegen als die für den Machtzweck. 
Das Bild wäre freilich lückenhaft, wenn die einmaligen und außerordentlichen 
Ausgaben unberücksichtigt blieben, die gerade für Heer und Flotte sehr bedeutend sind. 
Sie sind ihrer Natur nach stark schwankend, und deshalb verbietet sich eine einfache Ber- 
gleichung der Anfangs- und der Endziffern. Es genüge die Feststellung, daß in dem 
Zeitraum 1888—1912 die gesamten einmaligen und außerordentlichen Ausgaben rund 
2568 Mill. M., also durchschnittlich 383 Mill. M. im Jahr betragen haben. Davon ent- 
fielen auf das Heer 3375, auf die Marine 2608, zusammen also 5984 oder 62%09. Während 
Rüstungsausgaben. 
  
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