Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
8 Das Heerwesen. IV. Buch. 
  
einer Vermehrung der Unteroffizierstellen ab. Man rechnete darauf, sie durch Mann- 
schaften ersetzen zu können, die freiwillig ein drittes Zahr dienten und dafür nur drei 
Jahre in der Landwehr ersten Aufgebots verbleiben sollten. 
Am 25. März 1899 wurde nach heftigen parlamentarischen Kämpfen, die beinahe 
zur Auflösung des Reichstages geführt hätten, die Vorlage diesen Entschlüssen ent- 
sprechend Gesetz, das fünf Jahre lang bis zum 31. März 1904 in Geltung bleiben sollte. 
Danach sollte die Armee stark sein: 625 Bataillone, die mithin nur um eines vermehrt 
wurden, 482 Eskadrons, 574 Batterien, 38 Fußartillerie-, 26 Pionier-, 11 Verkehrs- 
und 23 Train-Bataillone, im ganzen 495 500 Gemeine. Die Vermehrung sollte bis 
19053 #erfolgen. 
Das 18. Corps wurde in Frankfurt a. M., das 19. in Leipzig, das 3. baperische 
in Nürnberg gebildet. Trotzdem behielten acht Armeekorps fünfte Brigaden, während 
anderseits zwei Divisionen keine Kavallerie hatten. Dagegen wurden im Lauf der 
nächsten Jahre 16 Maschinengewehrabteilungen gebildet, die der Heereskavallerie zu- 
geteilt werden sollten. An Feldartillerie erhielt fortan jede Division eine Brigade zu 
zwei Regimentern, zwei Divisionen mußten sich vorläufig mit einem Regiment be- 
gnügen. Die aus den Fußartilleriebataillonen zu bildende schwere Artillerie des Feld- 
heeres bestand aus Haubitz- und Mörserbatterien, diese zu vier, jene zu sechs Geschützen. 
Die Bespannungsabteilungen wurden auf zehn erhöht; die Verkehrstruppen einer 
Inspektion unterstellt. Bei der Eisenbahnbrigade, die aus drei Regimentern zu zwei 
Bataillonen bestand, wurde die Betriebsabteilung der Militärbahn verstärkt. Sodann 
wurden unter Fortfall der Telegraphenversuchs-Kompagnie drei Telegraphenbataillone 
mit Bespannungseabteilungen gebildet; die Militärtelegraphenschule wurde in eine 
Kavallerie-Telegraphenschule mit Bespannungsabteilung umgewandelt. Weiter wurde 
1901 die Luftschifferabteilung auf ein Bataillon zu zwei Kompagnien mit Bespannungs- 
abteilung verstärkt. Die für diese Neuformationen erforderlichen Mannschaften wurden 
durch Etatsverminderungen beschafft. Zur Beschleunigung der Mobilmachung wurden 
1900 Bezirksoffiziere und Pferdevormusterungs-Kommissare angestellt. 
Den Bewilligungen entsprechend zählte die Armee am 31. März 1904 24 374 Offi- 
ziere, 81 954 Unteroffiziere, 495 500 Gemeine, 105 885 Pferde und 3126 Geschütze ohne 
die Sanitätsoffiziere, Beamten und Einjährig-Freiwilligen. 
Das jährliche Rekrutenkontingent hatten sich auf 245621 Mann erhöht; trotzdem 
aber mußten noch 98 992 Mann dem Landsturm, 82 786 der Ersatzreserve 
überwiesen werden, von denen ein großer Teil zweifellos als dienstfähig be- 
zeichnet werden konnte. Von der Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht 
war man weit abgekommen. Dagegen war im Jahre 1900 eine Marinevorlage be- 
willigt worden, die einen planmäßigen Ausbau der Flotte innerhalb 16 Jahren vorsah 
bis zur Stärke von 38 Linienschiffen und 51 Kreuzern. Das zwang zu sehr erheb- 
lichen Ausgaben, und da die Expedition nach China, 1900—1901, ebenfalls bedeutende 
Summen verschlungen hatte, verzichtete die Regierung vorläufig auf die Einbringung 
einer neuen Militärvorlage und begnügte sich damit, das am 31. März 1904 ablaufende 
Gesetz um ein Jahr verlängern zu lassen. 
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