V. Buch. Die Kolonlen. 25
koloniale Beirat, der Kolonialrat, ausgehoben wurde. Durch Schaffung eines besonderen
landwirtschaftlichen Referates neben dem schon vorhandenen volkswirtschaftlichen im
neuen Reichskolonialamt und durch die Besetzung desselben mit einem gründlich wissen-
schaftlich und praktisch ausgebildeten Fachmanne wurde einerseits die kritische Bearbei-
tung der Berichte aus den Kolonien und die Bewertung der dort gemachten Versuche,
andererseits die Feststellung eines umfassenden Programms ermöglicht. Von großer
Wichtigkeit war dies auch für die nahezu zur Lebensfrage für einen Teil des heimischen
Handels und unserer Industrie gewordene Erzeugung von Baumwolle. Die diesbezüg-
lichen Arbeiten hatten bisher ganz in den Händen des kolonialwirtschaftlichen Komitees
gelegen; ihr gedeihlicher Fortgang wurde aber naturgemäß durch die mehr auf indu-
strielle und kommerzielle Zwecke zugeschnittene Organisation desselben beeinträchtigt.
Vor allem zeigte sich das Komitee, dessen unbestreitbare Berdienste ja schon eingehend
gewürdigt worden sind, den rein landwirtschaftlichen Aufgaben nicht genügend gewachsen.
Nachdem der Leiter der Kolonialverwaltung sich persönlich mit seinem landwirtschaft-
lichen Sachverständigen über die großen Baumwollgebiete der Vereinigten Staaten
Nordamerikas informiert hatte, kam im besten gegenseitigen Einvernehmen ein Arbeits-
teilungsabkommen zwischen Kolonialamt und Komitee zustande, demzufolge ersteres
das auf eine breitere Grundlage zu stellende landwirtschaftliche Versuchswesen im weite-
sten Umfange durch Errichtung landwirtschaftlicher Stationen organisieren sollte, wäh-
rend die sonstigen Arbeiten, insbesondere die Errichtung von Entkörnungsanstalten
und der Aufkauf der Rohbaumwolle zu Garantiepreisen, dem Komitee verblieben.
Der landwirtschaftliche Ausfschwung wurde wesentlich dadurch gefördert, daß es
gelang, das Kapital wieder in größerem Maße für die Kolonien zu gewinnen, so daß
eine Reihe neuer Unternehmungen in sämtlichen Kolonien entstanden. Aber auch die
älteren Pflanzungen gediehen. Erfreulicherweise hat sich der Pessimismus, der zeit-
weise bezüglich der ostafrikanischen Sisalplantagen gerade auch in amtlichen Kreisen
berrschte, als übertrieben herausgestellt. Begründeter war er dagegen bezüglich der
Kautschukpflanzungen. Auch diese haben sich im allgemeinen gut entwickelt und ergaben
bisher zufriedenstellende Resultate, doch erscheint hier die Rentabilität für die Zukunft
angesichts der südasiatischen Konkurrenz in Frage gestellt, so daß sich die Pflanzer sehr
werden überlegen müssen, ob sie nicht, wie einst die Kaffeekulturen in Usambara, so die
Manihot-Kautschukkulturen durch andere — Kokospalmen, Kapok, Olpflanzen usw. —
ersetzen sollen. In Kamerun gelang es, die Kokaokulturen durch energische Bekämpfung
der Krankheiten und Schädlinge rentabeler zu gestalten, während man sich mehr und mehr
davon überzeugt hatte, daß nicht Kickzia, sondern die hochwertige Hevea die geeignetste
Kautschukkultur für das in Frage kommende Pflanzungsgebiet sei. Weitere Fortschritte
haben in den letzten Zahren die Olpalmpflanzungen gemacht, denen ebenso wie der seit
dem Jahre 1910 sich von Jahr zu Jahr mehr ausdehnenden Tabakkultur eine große Zukunft
bevorstehen dürfte. Das Hauptausfuhrprodukt ist aber noch heute der Handelskautschuk,
welcher im Jahre 1911 den Wert von rund 11 Mill. M. betrug, wovon 9 Millionen allein
auf den Süden entfallen. Die aus dem hierauf gelegten Ausfuhrzoll erzielten Beträge
bilden den wesentlichsten Bestandteil der Einnahmen des Schutzgebietes, die durch ein
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