130 Textilindustrie. VI. Buch.
berzustellen. Der Faden wird bei diesem Verfahren durch Eintretenlassen der Spinn-
flüssigkeit in saure ober alkalische Fällungsbäder gebildet. Das erhaltene Produkt führt
die Handelsbezeichnung Glanzstoff. Die bahnbrechende Erfindung auf diesem wich-
tigen Gebiete ist im Zahre 1897 gemacht worden. Bei der Ausarbeitung des Verfahrens
und seinen Verbesserungen sind die Erfinder Bronnert, Fremery, Urban und Pauly
sowie die Glanzstoffabriken in Elberfeld beteiligt. Wegen der im Anfange der Fabri-
kation zu überwindenden großen Schwierigkeiten vermag das Kupferozpdammoniak-
verfahren erst seit dem Jahre 1900 dem Chardonnet-Verfahren erfolgreich Konkurrenz
zu machen. Die weitaus größte Menge an Kupferoxpydammoniakseide wird in Deutsch-
land und bier vor allem von den vereinigten Glanzstoffabriken in Elberfeld hergestellt. Diese
fabrizierten schon 1897 etwa 1 Million kg Glanzstoff. Heute sind es über 2 Millionen kg
Glanzstoff, wozu zirka 4000 Personen in kontinuierlichem Tag- und Nachtbetrieb erfor-
derlich sind. Das werbende Kapital der Gesellschaft beträgt 19 Millionen Mark. Die
dritte, unter dem Namen Viskoseseide im Handel befindliche Sorte von Kunst-
seide wird durch Lösung von Alkalizellulose in Schwefelkohlenstoff erhalten. Das
Verfahren ist durch die Werke des Fürsten Donnersmarck in Sydowsaue für die
Prazxis ausgearbeitet und im Jahre 1911 von den Elberfelder Glanzstoffabriken an-
gekauft worden. Die VBiskoseseide verursacht von allen bis jetzt bekannten Kunst-
seidensorten die niedrigsten Herstellungskosten. Sie übertrifft in bezug auf Weichheit
und Glanz den Glanzstoff und ergibt in der Weberei weit bessere Resultate als dieser.
Aus diesen Gründen wird der Biskoseseide eine große Zukunft vorausgesagt und man
behauptet, daß ihre Vorherrschaft auf dem Gebiete der Kunstseide nur eine Frage der
Jeit sei. Die erwähnten Kunstseiden haben den Fehler, daß sie beim Naßwerden an
Festigkeit verlieren. Versuche, wasserfeste Kunstseide herzustellen, haben ein allseitig
befriedigendes praktisches Ergebnis noch nicht gehabt. Bei den Versuchen sind die Elber-
felder Farbwerke darauf gekommen, Metallgarne, sogen. Baykogarne, herzustellen,
die einen Ersatz der bisherigen Gold- und Silbergespinste darstellen. Sie geben der
Baumwolle einen Uberzug von Zelluloseazetat, das mit Bronzen gemischt ist. Das
Produkt ist sehr echt und eignet sich für Weberei-, Wirkerei- und Stickereizwecke.
Die Entwicklung der Kunstseidenindustrie hat bisher nicht nach der Richtung hin sich
bewegt, für alle Fälle einen Ersatz der Naturseide zu bilden. Es handelt sich vielmehr
um das Erscheinen eines neuen selbständigen und sehr wertvollen Textilmaterials,
welches sich bisher nur beschränkte Anwendungsgebiete in der Textilindustrie gesichert
hat. Die Produktion wird auf etwa 7½ Millionen Kilogramm Kunstseide geschätzt, woran
Deutschland mit etwa 2 Millionen beteiligt ist.
Das Verfahren zum Mercerisieren von Baumwolle hat
eine chemische und phpsikalische Veränderung der Faser zur Folge,
wodurch sie dauerhaften und bleibenden Glanz und größere Festigkeit, Dicke und Tran-
sparenz erhält. Mercerisieren nennt man die im Zahre 1844 von dem englischen Chemiker
John Mercer entdeckte Behandlung der Baumwolle mit starken Alkalilaugen. Er be-
obachtete, daß beim Filtrieren von starker Natronlauge durch Baumwollzeug eine Ver-
Nercerisieren.
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