VI. Buch. Wirtschafts--, Sozial- und Finanzpolitit. 17
bedenklich. Eben deswegen war der Steuerreformplan der letzten Bülowschen A#ra #der
richtigere, weil er eine Ergänzung der unbedingt gebotenen weiteren Erhöhung und Ver-
mehrung der indirekten durch direkte oder wenigstens als solche wirkende Reichssteuern
bezielte. Er hatte dadurch den Vorzug vor der wirklich 1909 erfolgten Steuerreform.
Das wird man zugestehen müssen und können, auch wenn man einräumt, daß die schließlich
erfolgte Steuerreform, weil sie einmal die zur Deckung der Reichsdefizite unter den ge-
gebenen Umständen allein erreichbare Form war, angenommen werden mußte. Da-
mit werden die inneren Mängel dieser Reform nicht geleugnet. Die Reform von 1913
war ein notwendiger Fortschritt, aber ist technisch zu mangelhaft ausgefallen. Es wird
freilich auch anerkannt werden müssen, daß durch die einmal gegebene Verwickeltheit
der staatsrechtlichen Verhältnisse, wie sie der Bundesstaatscharakter des Deutschen Reiches
gegenüber der Einzelstaatsbildung mit sich bringt, die bekannten Schwierigkeiten von
Steuerreformen fast unvermeidlich hervorgerufen werden.
Durch die Verbindung von Reichsbesteuerung und Einzelstaatsbesteue rung und damit
durch die wesentlich in den Einzelstaaten bestehende direkte Besteuerung wird allerdings
eine gewisse Kompensation der angedeuteten mißlichen Wirkungen der indirekten Reichs-
besteuerung erreicht. Aber eben bei der doch vielfach verbliebenen Verschiedenheit der
direkten Staatsbesteuerung und auch der Kommunalbesteuerung in den Einzelstaaten ist
diese Kompensation doch immer nur eine ungenügende und namentlich auch eine ungleich-
mäßige. Immerhin ist in Preußen und einigen anderen Staaten die neueste Entwickelung
der Steuerverfassung eine bessere als in einigen anderen Staaten, namentlich ale bisher in
Bayern. Jedenfalls kann aber nur eine angemessene, dann notwendig gleichmäßigere
AAusbildung der direkten Einzelstaatsbesteuerung zu Personal-, insbesondere zu Ein-
kommen-, Vermögen-, Erbschaftsbesteuerung eine einigermaßen richtige und gerechte
Ausgleichung zwischen den Wirkungen der indirekten Reichsbesteuerung und der direkten
Staatsbesteuerung herbeiführen.
Deehalb kann ein großer Teil der Bismarckschen Steuerpolitik in Preußen nur als
ein Fehler erkannt werden. Mit der Wandlung, die in dieser Politik vor allem in der Nach-
Bismarckschen Zeit in Preußen durch die Miquelsche Steuerreform und teilweise auch
durch die NReformen in Preußen in der Nach-Miquelschen Zeit unter dessen Nachfolger
im Finanzministerium herbeigeführt wurde, ist daher hbier ein richtiger Weg betreten
worden. Ourch die Einkommensteuerreform ist eine Reihe der schwersten und unerträg-
lichsten Mängel der früheren Klassen- und Uassifizierten Einkommensteuer erfolgreich be-
seitigt. Durch die Hinzufügung einer Vermögenssteuer, wenn auch unter dem euphe-
mistischen, politisch nicht ungeschickten, aber schon im Wortlaut einer tendenziösen Aus-
legung fähigen Namen: „Ergänzungssteuer“, ist der tiefe Mangel der früheren preußi-
schen Personalbesteuerung beseitigt. Dem beweglichen Kapitalbesitz ist so seine rechtliche
und faktische Steuerfreiheit gegenüber dem Grund- und Hausbesitz und dem Gewerbekapital
teilweise entzogen worden, die ungerechte, gesetzwidrige, teilweise wirklich schmachvolle
Steuererleichterung (erinnert sei nur an den Bochumer Steuerprozeß) des größeren Pri-
vateinkommens ist in erheblichem Maße beseitigt. Erst so wurde die preußische Personal-
steuerfassung für die Finanzzwecke und für den Zweck gerechterer Steuerverteilung sowie
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