VI. Buch. Die Nahrungsmittelindustrie. 187
diger geschaffen. Die Zahl der Nahrungemittelchemiker hat sich seither entsprechend
der ständig angewachsenen Zahl der Nahrungemitteluntersuchungsanstalten erheblich ver-
mehrt und hat sich im Laufe der Zeit durch seine rege Betätigung nicht nur große Berdienste
um die Nahrungemittelüberwachung, sondern auch mittelbar und unmittelbar um die
Nahrungemittelindustrie erworben. Die hier erreichten Erfolge sind um so höher anzu-
schlagen, als die zur Ausübung der Nahrungsmittelüberwachung berufenen Sachver-
ständigen zunächst eigentlich einer völlig neuen und nicht übersehbaren Aufgabe gegen-
überstanden. ·
Berdienste der Chemie. Brauchbare Verfahren zur Untersuchung der Nah-
rungs- und Genußmittel waren nur wenig bekannt.
Es hatte bis dahin an einer Veranlassung dazu gefehlt, sich plammäßig um die durchschnitt-
liche Zusammensetzung der Lebensmittel zu kümmern und den Verfälschungen nachzugehen,
die an den Nahrungs- und Genußmitteln seit alter Zeit vorgenommen wurden oder die
auch neu auftauchten. Von grundlegender Bedeutung wurden daher sowohl für die Nah-
rungsmittelüberwachung wie für die Nahrungsmittelindustrie J. Königs Arbeiten, die
in seiner „Chemie der menschlichen Nahrungs- und Genußmittel“ zusammen-
gefaßt wurden und die zum ersten Male den Versuch machten, ein Bild von der Zusammen-
setzung natürlicher und nicht verfälschter Nahrungsmittel zu geben. Wenn sich auch deren
Zusammensetzung als innerhalb gewisser Grenzen schwankend ergaben, so zeigten sich doch
diese Grenzen nicht so weit gezogen, daß es nicht möglich gewesen wäre, wenigstens in
vielen Fällen auf Grund der Analgyse festzustellen, ob ein Nahrungemittel der durchschnitt-
lich anzunehmenden Zusammensetzung entspreche oder ob es so weit davon abweiche, daß
eine Verfälschung als vorliegend vorausgesetzt werden müsse. Es kam nun vor allem auf
die Untersuchungsverfahren an. Denn man überzeugte sich sehr bald, daß bier noch viele
Arbeit zu tun notwendig war. Um die Erledigung dieser Arbeit haben die in die Prakis
der Nahrungemittelüberwachung eingetretenen Chemiker sich ein großes Verdienst er-
worben, abgesehen davon, daß ein jeder Fortschritt der allgemeinen und der analytischen
Chemie auch eine Einwirkung auf die weitere Entwicklung der Nahrungemittelanalpse
ausübte.
Amtliche Vorschriften. Man kam aber sehr bald zu der Einsicht, daß es mit der
Ausarbeitung einzelner Untersuchungsverfahren allein
nicht getan sei. Die Sachverständigen wichen nicht gar selten in bezug auf die Auswahl
der zur Anwendung zu bringenden Untersuchungsverfahren wie auch bei ihrer Aus-
legung voneinander ab, sei es, daß die Fragen überhaupt strittig waren, oder daß eine
nicht immer gleich umfangreiche und gut begründete Erfahrung zu diesen Unstimmigkeiten
fübrte. Es liegt aber auf der Hand, daß solche Widersprüche der Sachverständigen zur
Klärung des Tatbestandes vor dem Strafrichter nicht führen konnten, und daß sie über-
dies für die Nahrungsmittelindustrie wie auch für die Gutachter selbst zu großen Unzuträg-
lichkeiten führen mußten. Nan ging deswegen dazu über, für die Untersuchung der Nah-
rungsmittel in verschiedenen Fällen nach Anhörung von Sachverständigen Vorschriften
635